Heft 
(1879) 25
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Das verlorene Paradies.

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den ruhelosen Wechsel des Menschen-Daseins! Wir Beide aber stehen auf diesem Berg wie auf einer glückseligen Insel, unten die Brandung ringsum, hier oben der Friede! Von der Ferne verklärt, fließen die ver­dämmernden Hügel mit dem Himmel zusammen wie die Zukunft. Denn das ewig Ferne, das ewig Künftige nennen wir Himmel, und mit jedem Schritt, womit wir uns nähern und ihn wie Kinder greisen wollen, weicht er zurück. Wer doch im Kampf seines eigenen Herzens auch zuweilen solch' eine glückselige Insel finden könnte! Sie schweigen, lieber Professor, und ich unterbrach Sie vorhin. Sie wollten mir von Ihrer Bekehrung zur Archäologie durch eine schöne Dame erzählen. Bekehrungen durch schöne Damen kommen häufig vor, doch archäologische sind da, glaub' ich, eine Seltenheit."

Der Professor fragte, ob der Graf schon in Trier gewesen, ob er die Villa Bechen und ob er Frau von Bechen kenne? Der Graf verneinte Alles und entsann sich auch nicht, jemals von einer Familievon Bechen" gehört zu haben.

Nun erzählte der Professor in aller Kürze von dem Mosaikboden, den er bei der einsiedlerischen Frau gesehen, und wie er sofort die römische Copie des griechischen Originals richtig erkannt habe und dadurch vom archövlogischen Fieber ergriffen worden sei, während andererseits die Dame durch den Ban der Halle und ihre Mosaikstudien wieder mit Menschen Ver­kehren lerne und langsam genese. Und so könne es am Ende noch geschehen, daß die kranke Frau durch die Mosaik menschlich gesund, er, der Gesunde aber, archäologisch krank werde.

Bei dieser Krankheit," sagte der Graf lächelnd,könnte aber das archäologische Fieber leicht nur äußeres Symptom sein, während der Grund des Leidens ganz wo anders sitzt. Lesen Sie moderne Novellen?"

Der Gelehrte erwiderte, im Studium der Novellistik sei er nur bis zu deren elastischen Anfängen vorgedrungen und also beimGoldenen Esel" des Apulejus stehen geblieben.

Nun gut!" fuhr der Graf fort,ich meinerseits lese auch die spätere Novellistik. Und da erscheint mir nun Ihre Frau von Bechen genau wie aus einer Novelle modernster Art geschnitten.

Es gibt nämlich jetzt eine ganze 'Zahl deutscher Novellen und Lustspiele von äußerst seiner und geistreicher Durchführung, die nur an dem einen Fehler leiden, daß das ganze handelnde Personal aus lauter reichen, vornehmen, schönen und gebildeten Leuten besteht, die auf Gottes Welt gar nichts zu thnn haben, als gebildet, schön, vornehm und reich zu sein. Und weil nun der Mensch doch einmal auch irgend etwas Anderes thnn muß, so schwelgen sie in der Melancholie ihrer eigenen Langweile, als ob dies eine Gedanken- that sei, zerren und renken fortwährend an ihren Gefühlen, bis dieselben richtig auf dem Kops stehen, verlieben sich aus Nichtsthun in sich selbst oder Paar um Paar über's Kreuz, wobei kleine Ehebrüche die Handlung steigern,

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