Heft 
(1879) 25
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w. 6. Riehl in München.

lieben überhaupt, wo sie hassen, und hassen, wo sie lieben sollten; sie thnn alles mögliche Interessante und Aufregende, nur nichts Gescheidtes und Gesundes, weil sie, genau betrachtet, zuletzt doch immer garnichts thnn. Und es gibt wirklich Originale, die den Novellisten zu diesem Poetischen Schatten­spiel gesessen haben. Ich kenne mehrere solcher Frauen. Sie sind alle hoch- geboren, bezaubernd schön, reich und geistvoll, reisen beständig durch alle Länder Europas, wobei man aber niemals etwas von ihren Männern zu sehen bekommt; Virtuosinnen der Grille und Laune, sind sie unendlich verschiedenen Sinnes, gleichgesinnt nur in Einein Punkte:sie schwärmen Alle für Bayreuth."

Meine Dame," entgegnete der Professor etwas verstimmt,sieht diesem Zerrbild nicht im mindesten ähnlich. Sie reist von vornherein garnicht, sondern sitzt zu Hause, während ihr Mann vielmehr unaufhörlich reist."

Und wie heißt denn dieser Mann?"

Wie er heißt? Nun, der Mann der Frau von Bechen wird wohl Herr von Bechen heißen. Nach seinem Taufnamen habe ich nicht gefragt. Uebrigens scheint mir vielmehr dieser Mann und nicht die Frau ans einer der geschilderten Novellen geschnitten. Denn er ist so zu sagen vaterlandslos, Sohn eines deutschen Vaters und einer englischen Mutter, in Rußland geboren und erzogen, auf dem kosmopolitischen Boden des Hofparketts gebildet, grillenhaft und eigensinnig, ein herzloser Egoist, der das sinnige, überzarte, ächt deutsche Wesen seiner unglücklichen Gemahlin nicht versteht und ihrer gar nicht Werth ist, weßhalb die freiwillige Trennung beider Gatten wohl das Vernünftigste war, was sie thnn konnten. Und wenn es der armen Frau zur Zeit an einem Lebensbernf fehlt, so hat sie vordem doch den edelsten weiblichen Berus geübt, als sie noch auf Schloß Laubenstein ihren kranken Vater pflegte. Bernflos wurde sie erst durch die Ehe, welche einer Frau, die den rechten Mann findet, doch erst den wahren Beruf verleiht."

Ter Graf war sehr aufmerksam geworden.Hat Frau von Bechen selber Ihnen diese Schilderung ihres Gemahls gemacht?" fragte er in ganz veränderten: Tone.

Ja und Nein! Sie gab nur die Zeichnung, ich trug die Farben auf. Und wenn Frau von Bechen zeichnet, so kann sie es nur in Linien so zart und fein und rein wie sie selber ist. Die groben Drucker sind also von mir. Ja mir scheint, sie liebt noch immer diesen Mann, der sie nicht versteht, sie liebt ihn tiefer als sie weiß. Als er um sie warb, liebte sie ihn noch nicht, als er sich ihrem besseren Wesen fügte, begann sie ihn ein wenig zu lieben, da er sich ihr entfremdete, wuchs ihre Liebe, und seit er sie verlassen hat, wurde diese Liebe immer stärker. Sie forschte verstohlen nach seinen: Auf­enthalt, während er sich um den ihrigen nicht mehr kümmerte. Sie träumte von einen: verlorenen Paradies, doch unter der Hand wurden verschiedene Paradiese daraus. Und ich glaube, sie hat noch ein weiteres dazu verloren, ohne zu wissen, daß sie es jemals besessen: das Paradies der unter Kamps und Widerstand still auskeimenden pflichttreuen Liebe."