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W. H. Ri? hl in München.
angenommen und erwidert. Auch ging sie manchmal durch die Stadt, wobei man sie genau beobachtete, aber immer einsam, nur von ihrer Engländerin begleitet; sie hat die Porta nigra angesehen und die Thermen, die aber keine Thermen sind, sondern eine Basilika, ein Capitol, ein Centifanum, ein Palast oder sonst dergleichen. Früher suchte sie die Einsamkeit bei sich, jetzt sucht sie dieselbe in der Welt."
„Wer aber die Einsamkeit in der Welt sucht, der findet zuletzt die Welt und verliert die Einsamkeit," — unterbrach der Professor und fragte, ob denn Frau von Bechen die ganze Literatur über Mosaik schon durchstudirt habe?
Sie hatte nicht eine Zeile über Mosaik zu lesen begehrt, dagegen verlangte sie zahlreiche andere Bücher. „Und welche?" rief der Professor hastig.
Der Bibliothekar schlug das Ausleihebuch auf und las: „Frau von Bechen: — Nartsns, Drücke DixloinatiMS; Bilder aus der Petersburger Gesellschaft; VattsI, Droit ckss §sn8; Schleiermachers Monologe; Mischler, das Eisenhüttengewerbe; Spee's Trutznachtigal; RoscheOs Grundlagen der Nationalökonomie; Paul Gerhardts geistliche Lieder, — und dann folgt noch ein ganzes Dutzend Memoiren und Biographien berühmter Staatsmänner von Sully bis Bismarck. Was so eine vornehme Dame nicht alles durcheinander liest! Für Kunst und Alterthnm hat sie jedoch gar keinen Sinn. Ich zeigte ihr das Juwel unserer Bibliothek, den Oocksx anrsns; sie würdigte ihn aber kaum eines Blickes. Der Geheime Sanitätsrath ist besorgt wegen ihrer Gesundheit, er sagt, es entwickele sich ein Nervenleiden bei der früher so gesunden Frau. Also scheint das, was man geselligen Verkehr nennt, der Umgang mit Büchern, alten Bauwerken und Menschen, ihrer Natur nicht besonders zuträglich. Ueberdies sind seit einiger Zeit bedenkliche Gerüchte über Frau von Bechen im Umlauf. Man hält sie für eine Abenteuerin, sie soll einen falschen Namen führen, die Polizei hat bereits in aller Artigkeit darüber nachgefragt, und es könnte sein, daß sich die Gesellschaft nun von ihr zurückzieht, wo sie dieselbe zu suchen beginnt. — Sie ist seit voriger Woche verreist; wie man meint, um die Sache wegen des falschen Namens in Ordnung zu bringen. Vielleicht findet sie den richtigen Namen unterwegs und bringt ihn mit, oder sie findet ihn nicht und kommt auch nicht wieder."
Der Professor erschrak gewaltig über diese Auskunft. Er wußte durchaus nicht, was er dazu denken sollte und eilte sinnend und räthselnd in seinen Gasthof zurück.
Dort überreichte ihm der Portier einen Brief; die Adresse war von bekannter Hand. Denn obgleich er in seinem Leben erst drei Zeilen dieser Schrift gelesen hatte, würde er sie doch unter tausenden erkannt haben: -— es war ein Brief von Frau von Bechen, der schon seit acht Tagen, seit ihrer Abreise dalag, und den er in zitternder Hast erbrach.
Sie schrieb, daß sie von seinem bevorstehenden Besuch in Trier vernommen und sich sehr gefreut haben würde, ihn wiederzusehen. Allein dringende Geschäfte riesen sie in ihre Heimath, nach Laubenstein; nur für wenige Tage