Heft 
(1879) 25
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Das verlorene Paradies.

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werde sie dann überhaupt noch nach Trier zurückkehren, um die Einleitung zum Verkauf ihrer Villa zu treffen. Sie fürchte, daß man ihm in der Stadt Fabeln und Märchen von ihr erzähle, darum schreibe sie diese Zeilen, weil sie wolle, daß ihm ihr Bild wahr und klar bleibe. Aus der Einsamkeit hervortretend, habe sie mit Schrecken gewahrt, daß sie bisher wie im Schlafe gewandelt sei, daß sie wie eine phantastische Abenteuerin gelebt habe; denn auch wenn man gar nichts thue, könne man abenteuern, ja dann vielleicht am meisten. Sie habe seit seiner Abreise mit allev Kraft gerungen, das Wesen ihres Mannes zu verstehen und ihm gerecht zu werden; sie habe Interesse für seine Interessen zu gewinnen gesucht, sie sei in Gedanken mit ihm nach Petersburg gezogen, ja, sie habe an seinen politischen Studien theilgenommen zu spät! wie sie jetzt erst einsehe. Ihr Leben sei verfehlt durch eigene Schuld. Darum werde sie sich nach Laubenstein zurück begeben, auf den für sie einzig festen Boden der Jugendheimat, und ein Beruf werde sich dort ja finden, solange es verwahrloste Kinder zu erziehen, Arme zu unterstützen, Kranke zu pflegen, Unglückliche zu trösten gebe. Da liege das verlorene Paradies, welches sie wiedergewinnen müsse, und der Geist seines verstorbenen Bruders sage Amen zu diesem Plan.

Tief bewegt steckte der Professor den Brief in die Tasche und ging ziellos durch die Stadt und über die Moselbrücke, und eh' er sich's versah, stand er vor der Pforte der Villa Bechen.

Er wollte hineingehen, um sich zum letztenmal die vom edelsten Frauen­herzen geweihte Stätte zu betrachten, und die jonische Halle und die Mosaik, welche doch nicht so heilkräftig gewirkt, wie er's erwartet hatte.

Noch stand er zögernd vor dem Psörtnerhäuschen. Da fuhr ein Wagen vor und ein Herr stieg aus, der dem Professor beim ersten Blick bekannt schien; noch einen Blick auf den Fremden: es war Graf Bleydenperg.

Wie kommen Sie hierher?" fragte der erstaunte Professor.Ich glaubte Sie in Wiesbaden."

Dort war ich auch ganze sieben Tage. Aber mich lockte es zu einem Ausfluge nach Trier, um den neuen römischen Mosaikboden zu sehen, von welchem Sie so begeistert erzählt haben."

Sagten Sie denn nicht, Sie interessirten sich gar nicht für Kunst und Alterthum?"

Freilich sagte ich das. Allein soll man nicht seinen Geschmack bessern, seinen Horizont erweitern? Man wird seine Lebtage nicht zu alt zum Lernen. Uebrigens habe ich soeben schon alle Mosaiken verwünscht, antike wie moderne. Ich frage in Trier nach dem neuentdeckten Mosaikboden der Villa den Namen hatte ich ganz vergessen; da führt mich der Lohndiener in ein Weinhaus mitten in der Stadt, und als ich ihm bemerke, dies sei doch keine Villa, behauptet er, hier bekomme man den besten Scharzhofberger und Josephshöser, weit bester als auf irgend einer Villa ringsum (diesen Trierern geht doch ein guter Wein über alles!) und so kam ich, fast ohne