Heft 
(1879) 25
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w. ls. Riehl iu München.

zu wissen wie, in einen Keller, wo bei Gaslicht eine große Mosaik zu sehen war, die wunderschön sein soll; aber ich habe sie kaum augeschaut; und nun erst sagt mir der Lohndiener, wo die Villa mit der andern Mosaik liege, mit der trockenen Mosaik, wie er sich ausdrückte; denn jene im Weinhaus nenne man die ,nasse Mosaik und sie werde von den Fremden bei weitem bevorzugt."

Der leichte Ton des Grasen berührte den Professor unangenehm. Er war zu ernst gestimmt und merkte nicht, welch' tiefe Bewegung auch beim Grafen den leichten Ton durchzitterte.

Sie traten in den Park. Der Pförtner führte sie freundlich zu der neuen Halle und berichtete unterwegs, daß die Frau Baronin schon morgen zurück erwartet werde.

Ein kleiner aber stylvoller Bau aus grauem seinkörnigein Sandstein und weißem Marmor erhob sich über der Mosaik, die nun völlig frei gelegt war, schön umrahmt und sehr günstig beleuchtet.

Der Graf hätte wohl einige erläuternde Worte des Professors über das Kunstwerk erwarten dürfen; allein dieser schien mit seinen Gedanken ganz wo anders zu sein als bei den neuen jonischen Säulen und dem alten Fußboden. Er setzte sich auf die steinernen Stufen, welche zu dem Heiligthum führten und blickte in die Landschaft hinaus.

Worüber werden Sie heute Abend lesen?" fragte endlich der Gras.

Mein Thema heißt: ,Sophokles' Antigone und das antike Ideal der Weiblichkeit? Mir schien dieser Stofs besonders passend für das hiesige Publicum; ich habe ihn eigens für Trier durchgebildet. Aber ich fürchte, ich werde fehr zerstreut sprechen und vielleicht unbewußt allerlei moderne Züge hineintragen. Offen gesagt: ich bin beunruhigt durch einen Brief, den ich vorhin erhielt. Bei unserm Zusammentreffen in Elberfeld erzählte ich Ihnen von der Besitzerin dieser Villa; ich hoffte damals, sie werde genesen von ihrem Seelenleiden, sie werde entsagend und doch still beglückt, gehoben durch den beseligenden Frieden des hellenischen Geistes, an diesem unvergleichlich schönen Orte neue Kraft, neue Freude des Lebens schöpfen. Allein ich war im Jrrthum. Sie ist unglücklich, weil sie ihren Mann erst lieben lernte, als sie ihn verloren hatte, und sie wird ihn nicht wiedergewinnen; denn er verließ sie, weil er sie überhaupt nicht lieben kann. Für dieses Unglück gibt es keine Heilung. Und wenn sie in ihrer früheren Heimat, umringt von tausend traurigen Erinnerungen, nun wieder den Frieden suchen will, den sie hier nicht finden konnte, so ist die neue Täuschung ärger als die alte. Ich habe Ihnen so viel von dieser armen Frau erzählt, der ich um's Leben gern helfen möchte, und Sie haben so theilnahmvoll zugehört, daß ich keine Jndiseretion zu begehen glaube, wenn ich Ihnen den Brief mittheile. Lesen Sie!"

Der Gras ergriff hastig das Blatt, setzte sich neben den Professor auf die Stufen und las.

Vielleicht wäre der Dame dennoch zu helfen," rief er dann, das Blatt