Heft 
(1879) 25
Seite
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32 U). 6. Riebt in München.

gehofften Zusammentreffens." Ihre Stimme war etwas schwächer als sonst, ihr Gesicht blässer, aber sie sprach und bewegte sich wie immer mit jener anmuthigen Freiheit, die auch beider vereinsamten Frau die geborene Aristokratin erkennen ließ.

Dagegen war der Professor verlegen, und seine erlernte Weltkunst ließ ihn etliche Minuten im Stich. Doch saßte er sich rasch, sagte Alles, was inan bei einer angenehmen Ueberraschung sagen muß, wandte sich dann seit­wärts und stellte mit leichter Handbewegung vor:

Herr Graf Bleydenperg Frau von Bechen!"

Der Name des Grafen und ein Blick aus seine Person wirkte wie ein Blitzstrahl auf die Dame. Sie fuhr zusammen, erblaßte, stieß einen leisen Schrei aus und würde umgesunken sein, wenn nicht der Graf hinzugesprnngen wäre und sie in seinen Armen ausgesangen hätte.

Er hielt sie fest umschlungen und rief:Martha, Martha, ich lasse

Dich nicht wieder!" bis sie zur Besinnung kam. Wortlos brach sie in heftiges Weinen aus. Der Gras redete zärtlich beruhigend, und als er ihr die thränenseuchte Wange küßte, trat nun der Professor seinerseits in den Hintergrund, denn ihm dämmerte mit einem Male der wahre Zusammenhang.

Kaum aber war er zehn Schritt zurückgetreten, so redete ihn die Ge­sellschafterin, die gar nicht wußte, was sie zu der Scene denken sollte, aus englisch an und bat um Aufschluß. Allein der Professor hatte im Augenblick all sein Englisch vergessen und verstand kein Wort, obgleich er sonst Chaucer und Shakespeare im Urtext las.

So waren auch hier im Hintergründe auf einmal die Rollen vertauscht: die allzeit stumme Engländerin sprach und der sonst so redesertige Professor spielte die stumme Person.

Um weder zu stören noch gestört zu werden, zog er vor, einen kleinen Spaziergang zur Mosaikhalle zurück zu machen und ließ die arme Engländerin recht unhöflich in ihrer Unwissenheit stehen.

Vor der Halle setzte er sich wieder aus jene Steinstufen, wo er vor wenigen Minuten dem Grasen gelobt hatte, ihn aufzusuchen, der doch vor ihm stand, und ihm die Augen zu öffnen, die doch damals schon geöffnet waren. Er freute sich, daß nun wohl das Leid der armen Frau gewendet sei, und es war ihm trotzdem wehmüthig, daß es sich jetzt schon gewendet; er hätte gern noch einige Zeit an dem schmerzlich süßem Romane sortgesponnen. Auch verdroß es ihn fast, daß die Genesung der Leidenden nun voraussichtlich in so ganz anderer Weise sich vollenden werde als er gedacht. Der jonische Tempelbau war doch recht nutzlos gewesen! Er blickte ärgerlich auf die Mosaik, deren blasender Meergott ihn höhnisch ansah. Hätte ihn diese Mosaik nicht verblendet, hätte das archäologische Fieber sein philologisches Auge nicht getrübt, so würde er den Grafen schon in Elberfeld als den Alaun seiner Frau errathen haben.

Da klopfte ihm Jemand aus die Schulter: Der Graf stand vor ihm,

mit der Gräfin im Arme, die zwischen Thränen lächelte.