Erinnerungen an Alexander Hetöfi.
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„„Hier bin ich noch übler daran. Die Alten, die Anerkannten sind zu vornehm, zu faul und eifersüchtig, dem Werdenden die! Hand zu reichen; die Jugend aber letzt sich hier wie allerorten mehr an Gefühlen als an Gedanken. Keiner in ihrem Kreise übersieht mich, hebt mich, zwingt mich, und das ist schlimm! Sie opfert mir mit rückhaltsloser Hingebung, und so kanüs, daß ich mir manchmal sagte: Du nährst dein Volk mit eigenen Mitteln, wozu
fremder Hülse begehren? Wozu lernen und forschen? Wozu im Schutt wühlen? Waren die Todten weiser, besser, als die Lebenden sind? Was ist alt, was ist jemals neu gewesen? Der Weinstock von heute ist der Weinstock von ehedem, einer trägt Tokayer, ein anderer Türkenblut; künstliches Aufpfropfen und Mengen ist wider die Natur. Gib was du hast, was du geben kannst!""
„Das wäre die bequeme Theorie des Stillstandes," entgegnete ich. „Wäre denn die Kunst goldener Müßiggang, gemüthliches Sichgehenlassen? Wird der Dichter lediglich für ein Volk geboren? Darf uns das Urtheil leichtentzündbarer Jugend jemals maßgebend sein? In unserem Geiste schlafen unzählige Lieder wie Funken im spröden Gestein; aber ohne den weckenden Stahl schliefen sie ohnmächtig fort in Ewigkeit. Dieses Aufwecken, sanft oder barsch, übernimmt zuweilen das Schicksal, eine gewaltige Leidenschaft, ein weises Verständniß der Natur; zumeist aber ist's doch die Geschichte, ist's doch der sortzeugende Gedanke vergangener Generationen, welcher uns zu eigenen Ideen anregt. Lesen, lernen, arbeitend sich erholen, sich erholend arbeiten, gibt's eine größere Lust, eine heiligere Pflicht?"
„„So ist's!"" sprach er tonlos, die Hand vor die Augen haltend, „„ich werde lernen! Nun fort!""
„Darf ich um Ihre Adresse bitten?"
„„Lassen Sie mich lieber zu Ihnen kommen, ich wohne — beschränkt.""
„Und das sollte mich hindern? Denken Sie gerechter von mir und stolzer von sich selbst. In jener Nußschale sind Sie die Lust Ihres Volkes geworden. Erlösung, sagt uns die heilige Schrift, ward in einer Krippe geboren."
»„Ich — komme zu Ihnen."" ....
„Wie hast du Petvsi gesunden? forschte mein Bruder.
„„Ungemein frisch. Alles an ihm ist Unmittelbarkeit und Eigenart. Was sein Schaffen betrifft, so verläßt er sich lediglich auf Inspiration. Ferner: Es widerstrebt ihm, aus dem Bann seiner noblen Armuth herauszutreten, er besorgt, durch die Entgegennahme des unbedeutendsten Liebesdienstes abhängig zu werden. Freiheit und Bettelsack ist seine Devise! Er ist ein Künstler und kein Handwerker, ein Mensch und kein Buch, ist, wenn Du willst, selbst ein verkörpertes Gedicht.""
II.
„Sie sehen übernächtig und blaß, Petösi."
„„Ihr Verdacht,"" sprach er, „„ist unbegründet. Edlerer Rothwein als