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Larl Beck in Wien.
muß ich argwöhnen, die Selbstverleugnung eines Brutus und Cassius. Es ist ein offenes Geheimniß, daß er auf die völlige Selbständigkeit Ungarns hinarbeitet —""
„Mir däucht," fiel ich ein, „daß hierzu vorläufig noch alle Bedingungen mangeln. Anstatt Luftschlösfer zu bauen, wollen wir lieber unser jammervolles Schulwesen verbessern, die unnatürlichen Prärogative des Adels gründlich zerstören und das geknechtete Bauernthum erlösen."
„„Schon der nächste Landtag wird diese, in der That dringlichen Fragen erledigen."" Wie mit sich kämpfend stieß er dann aus: „„Glauben die
Deutschen (Deutschösterreicher) wirklich, daß wir sie hassen?""
„Nun, halb und halb."
„„Schmählich. Dieses Vorurtheil müßte man mit Stumps und Stiel ausrotten. Ich kenne mein Volk durch und durch; seine Güte, wie sein Stolz lassen keine unedle Leidenschaft groß werden. Wir lieben den Deutschen nicht, finden kein Behagen an seiner Art, gehen ihm zuweilen unmuthig aus dem Weg — aber wir hassen ihn nicht, obgleich er so Manches gethan, was einem herzlichen Einvernehmen händelsüchtig entgegentrat. Weit über Maß und Fug, hat er bereits zur empfindlichen Hintansetzung unserer Heimat, Fremdländisches zur Geltung erhoben. So hat sich die schlotternde deutsche Tracht eingebürgert, so lehrt man in den Schulen bis zur Ermüdung deutsche Historien und widmet unseren Hunyaden kühle, flüchtige Worte. Unsere Vorzüge steht der Deutsche durch angelaufene Brillen, sie scheinen ihm glücklichsten Falls verschrobene Eigenthümlichkeiten. Die Naivetät unseres Wesens ist ihm gleichbedeutend mit Beschränktheit; Gastfreundlichkeit, mit Hang zur Verschwendung, Offenheit mit Mangel an Noblesse; Ritterlichkeit mit aufgedunsener Renommisterei. Unsere orientalische Beschaulichkeit, den Trieb, nach vollbrachter Arbeit zu ruhen, fern aller Habsucht, allem Geschäftsschwindel, nennt er Trägheit und Indolenz. Ferner: Er, jeder Selbstbestimmung entratheud, ist am wenigsten berechtigt, unser Selfgovernement zu bekriteln; doch ist sein drittes Wort: willkürliche Stuhlrichterwirthschaft! Als ob feine Beamten minder eigenmächtig vorgingen, als ob der Haselstock nicht auch in den angeblich civilifirten Provinzen thätig wäre! Ziehen Sie nun die Summe des Gesagten, billig ermessend, ob wir den Deutschen zu lieben vermögen?""
„Und doch," rief ich aus, „hat die Vorsehung Magyaren und Oesterreicher auf einander angewiesen, sie gehören zusammen, wie Brod und Salz und sollten sich freundschaftlich ergänzen, zu beiderseitigem Heil."
„„Was denkt man von unseren Poeten in Deutschland?""
Ich versetzte: „Eötvös, der Gedankenvolle muthet wohl die Nation
der Denker an, aber -—"
„„Aber nichtLwahr,"" unterbrach mich Petöfi, „„auch die bestechendste Reflexion, wenn allzu gehäuft, thut der künstlerischen Gestaltung Abbruch?""
„Gewiß! Dieselbe Ansicht hat in der deutschen Kritik bezüglich des edlen Freiherrn Platz gegriffen. Er trägt an einen: schweren Bann, nämliche