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Echte und Wahre gilt, sei es durch eine schonungslose, abschreckende Schilderung des Falschen und Bösen.
In Frankreich nimmt Emile Augier schon seit mehr denn drei Jahrzehnten in der öffentlichen Würdigung unter den dramatischen Dichtern den Rang ein, der ihm in unserm Vaterlande eigentlich erst seit seinem letzten Schauspiel, „Tie Fourchambault", zugestanden wird. Bor diesem sind nur einige wenige der Augierffchen Stücke mit Erfolg gegeben worden, namentlich in Wien; aber keines derselben hat es auch nur annähernd zu jener durchschlagenden Wirkung in Deutschland zu bringen vermocht, welche einige Schauspiele von dem jüngeren Dumas und Victorien Sardou, wie z. B. „die Kameliendame", „Alphonse", „die Fremde", „Fernande" und „Dora" erzielt haben. Und doch bietet die Production Emile Augiers Werke von ungleich stärkerer Begabung und höherem Werthe dar als die eben genannten. Gleichwohl, ist es erklärlich, daß das deutsche Publicum den Werken Augiers eine geringere Empfänglichkeit entgegengebracht hat, als denen seiner beiden berühmtesten Rivalen.
Die kecke, lärmende, etwas vorlaute Natur des jüngereren Dumas, der, wenn alle Welt Ja sagt, ein überraschendes Nein dazwischenschreit und nun seine abweichende Meinung mit allerlei lustigen und scharfsinnigen Rabulistereien motivirt, die erstaunliche Virtuosität Sardons, die beinahe etwas vom Tausendkünstler au sich hat oder vom Jongleur, der gläserne Flaschen und Kanonenkugeln mit fabelhafter Geschwindigkeit im Neigen kreisend durch die Lüste jagt, den Zusammenstoß und das klägliche Ende des Gebrechlichen immer befürchten läßt und immer wieder vereitelt, — Dumas und Sardou sind ganz die Männer, um sich Gehör zu verschaffen und das Auge zu fesseln. Es versteht sich, daß ihnen das nicht in dem Maße, wie es der Fall ist, gelingen würde, wenn sie nicht nebenbei oder eigentlich vor allem durch reellere Eigenschaften: durch Geist, scharfe Beobachtungsgabe, eigenartigen Stil ?c. unterstützt würden. Aber bei diesen Beiden ist entweder der Vorwurf des Stückes oder die theatralische Ausführung das sehr Wesentliche, — bei Dumas die These, die er plaidirt, bei Sardou die Verwickelung und Lösung der einzelnen Fäden, — und gerade das sind diejenigen Bestandtheile des Dramas, die bei der Uebertraguug desselben von dein heimischen Gebiet auf ein fremdes am wenigsten berührt werden. Wenn einige Pointen im Dialoge auch durch eine ungeschickte Uebersetzung stumpf gebogen werden, so wird das Ganze dadurch doch nicht in erheblicher Weise geschädigt. Die Frage, ob der gekränkte Gatte das Recht habe, den Geliebten oder gar sein Weib zu tödten, erregt, selbst wenn sie in einem etwas zweifelhaften Deutsch aufgeworfen und debattirt werden sollte, unter der Voraussetzung, daß sie an besonders interessanten Fällen und unter besonders scharfsinnigen Situationen klar gelegt werde, immerhin eine starke Theilnahme. Das Prikelnde und Reizvolle der Situationen, — die beständig eine Katastrophe herbeizuführen drohen, aber durch unerwartete Zwischenfälle zu neuen verwickelten Situationen sich fortpflauzen, den Zuschauer unausgesetzt in Athen: halten und ihm jene eigenthümliche Erregung Hervorrufen,