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Paul Lindau iu Berlin.
Liebe bewirken, wie der junge Dumas. Clorinde ist des unstäten Lebens, der Unwürdigkeit ihrer Stellung einfach überdrüssig geworden, und die vernünftige Berechnung erregt in ihr den Wunsch, in ein einfacheres, schlichteres Daheim zu treten, das freilich der ausschweifenden Vergnügungen und der Erregungen ihrer leichtsinnigen Zeit baar ist, aber dafür die Behaglichkeit, die Ruhe, die Achtung bietet. Nachdem Dumas ein Weib von ähnlichen moralischen oder vielmehr unmoralischen Qualitäten wie die „Abenteurerin" zur sympathischen Heldin eines Schauspiels gemacht, die Gefallene zu unerreichbaren Höhen emporgehoben und mit der Märtyrerkrone auch den Heiligenschein um ihr Haupt gelegt, nachdem der Verfasser der „Kameliendame" für seine Margusrite Gautier den braven Leuten Thränenströme entlockt und diese nicht nur zur Duldung, zur Vergebung, sondern sogar zur Bewunderung der gereinigten Unreinheit hatte zwingen wollen, nahm Angier später dasselbe Thema wieder 'auf und zeichnete die Courtifane ohne Rerll und Scheu, die fürchterliche Olympia. Zunächst aber war er durch das Paradox nicht gereizt. Er brauchte also auch für seine Clorinde noch nicht die schreiendsten Farben zu mischen.
Clorinde ist noch nicht das ganz und gar verworfene Geschöpf. Sie ist eben nur leichtsinnig gewesen und hat sich eine Zeit lang — zu lange — in der Gesellschaft junger Wüstlinge wohl gefühlt. Das Gewissen beginnt sich in ihr zu regen, oder richtiger gesagt, ein eigenthümlicher Ehrgeiz erwacht in ihr. Sie hat die Freuden des Lebens, und was man so zu nennen pflegt, zur Geuüge, ja bis zur Uebersättigung gekostet. Nur eine ist ihr versagt geblieben: die, welche die Achtung der Gesellschaft gewährt; und diese gilt ihr über alle. Da lernt sie einen alten Edelmann kennen, Monte-Prade, einen leichtgläubigen, eitlen, aber durchaus ehrenwerthen Schwächling, den sie ohne Mühe umstrickt, der sich von ihr geliebt glaubt und der, ohne des Widerspruchs der Seinigen zu achten, das schöne Weib als eheliche Gattin heimführen will. Während sich dies Ereigniß vorbereitet, ist der Sohn des alten Monte-Prade, der als verloren gilt, nicht im Hause gewesen; aber Fabrice, so heißt er, kehrt gerade zur rechten Stunde heim. Da Fabrice, der zehn Jahre in der Fremde gelebt hat, von seiner Schwester nicht gleich erkannt wird, faßt er, nachdem er von ihr über die Absichten seines Vaters unterrichtet worden ist, den Entschluß, sich dem Alten zuerst in einer Verkleidung zu nahen, um als angeblich Nnbetheiligter die Abenteurerin schärfer beobachten und wo möglich entlarven zu können. Diese Verkteidungsgeschichte gelingt vollkommen. Clorinde, die den jungen Menschen, dessen gefälliges Aeußere gleich tiefen Eindruck auf sie zu machen scheint, mit verdächtigen Augen gemustert hat, gibt ihrem Begleiter, einem Menschen, der sich Don Annibal nennt und sich als einen militärischen Raufbold und Bramarbas der gefährlichsten Sorte aufspielt, in Wahrheit aber ein ganz dürftiger Komödiant ist, den Auftrag, Fabrice wo möglich trunken zu machen, um ihm durch den Wein die Zunge zu lösen.