Emile Augier.
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aller Eile mit seinem Mündel, einem reizenden jungen Mädchen, das zufälligerweise eine Verwandte von Lea ist, verheirathet. Paul hat in den lustigen Flitterwochen seine unschuldige gute Frau wirklich lieb gewonnen. Da tritt Lea, die inzwischen ihren Mann verloren hat, wieder in sein Leben ein. Der Dichter hat sich nicht mit der banalen Erfindung begnügt, daß die frei gewordene Lea ihre Rechte auf den inzwischen seiner Freiheit verlustig gewordenen Paul geltend zu mSchen versucht. Lea hat — und das ist die Verwegenheit, die Augier so verübelt worden ist — am Hochzeitstage ihres früheren Geliebten in einem Augenblicke besinnungsloser Raserei, in einem hysterischen Delirium, um eine Art von teuflischer Rache an sich, an Paul, an ihrer früheren Liebe zu ihm auszuüben, dem ersten Besten sich hingegeben, — einem einfältigen Tropf, dem sie noch 24 Stunden vorher die Thür gewiesen hatte, und dem sie am folgenden Tage die Thür wieder für immer verschließt. Paul wird von dem Helden des Abenteuers selbst von dessen unbegreiflichem Glücke unterrichtet. Er sucht Lea auf, beschimpft sie; aber die unbezwingliche Liebe räumt alle Bedenken hinweg. Er will Lea gewaltsam in feine Arme schließen, und sie sieht sich genöthigt, ihm durch den Diener die Thür weisen zu lassen. Sie will das Glück ihrer reinen Freundin und Verwandten nicht stören und flieht. Paul will ihr nachreisen und trotzt den Bitten und Drohungen seines Vaters. Seine Frau, die von dem Geschehenen Kenntniß erhält, sieht keinen andern Weg zur Rettung als den des Selbstmordes. Gerade wie Jacques bei George Sand will auch Camilla sich tödten, um dem Glücke ihres geliebten Mannes nicht im Wege zu stehen und dessen Vereinigung mit dem Weibe, das er liebt, zu ermöglichen. Als Paul dies erfährt, kommt die Reue über ihn, und vor diesem starken Beweise selbstloser Liebe streckt seine unlautere Leidenschaft die Waffen.
„Paul Forestier" ist in schönen, klangvollen Versen geschrieben, bei denen man vielleicht ab und zu die Rundung und Glätte vermißt, die aber geharnischt find und dem kühnen Gedanken ein eigenthümlich glänzendes und festes Gewand geben.
Wie sich Emile Augier in einer Einzelheit in „Paul Forestier" mit George Sand begegnet ist, so trifft er in „Madame Caverlet" in dem Hauptmotive mit dem Lieblingsstosfe der großen Schriftstellerin zusammen. „Madame Caverlet" behandelt die Frage der Ehescheidung, die in Frankreich bekanntlich eine gesetzliche Lösung noch nicht gefunden hat. Die Heldin, Henriette, ist mit einem verkommenen Individuum verheirathet gewesen, einen gewissen Merson, von dem sie sich freiwillig getrennt hat. Sie ist später mit einem durchaus sympathischen und anständigen Manne, Herrn Caverlet, in ein Verhältniß eingetreten, dem zur glücklichen Ehe nichts als die legale. Form fehlt. Caverlet gilt überall als der legitime Gatte Henriettens, und deren Kinder, Henri und Fanny, halten ihn für ihren Vater. Erst bei der bevorstehenden Vermählung Fannys mit einen: jungen Menschen aus höchst achtbarer und in Ehrensachen etwas ängstlicher Familie, muß sich die