Nr. 9. Brief vom 23. 6.1853
Freund E. . .. wegen seiner Balladen - Friedrich Eggers (1819-1872). Von Eggers erschienen Gedichte ln niederdeutscher Mundart und zwei Balladen, „Haralda“ und „König Radgar“, in der „Argo“. Schon Anfang März 1853 hatte Fontane dem befreundeten Redakteur des „Deutschen Kunstblattes“ seine Ansicht zu dessen poetischen Produkten mitgeteilt: „Deine beiden Concurrenz-Balladen hab’ ich durchgelesen, zum Theil mit großer Befriedigung, aber doch nicht mit durchgängiger. Mit scheint (trotz Kugler) .Haralda“ besser zu sein; es ist reicher an Schönheiten. Der Grundgedanke in ,Radgar 1 ist vortrefflich, doch tritt er nicht schlagend genug hervor. Meine Anfrage an Dich geht nun dahin, ob Du dich - vorausgesetzt, daß wir uns über einzelne Schwächen einigen - zu einer kleinen Umarbeitung des einen oder andern Gedichtes verstehen würdest.“ Hanser Briefe l, S. 332. Im Jahresbericht für das Stiftungsfest, von Fontane verfaßt, vermeldete der Chronist drei „Sehr gut“ für Anakreon (Eggers’ Tunnelname): verteilt für „Haralda“, „König Radgar“ und „Dat Oog“. Hart und schonungslos fällt das Urteil aus, das der späte Fontane in dem Erinnerungsband „Von Zwanzig bis Dreißig“ über den Dichter Eggers formulierte: „Nichts, was er schuf, war ausgereift, alles hatten den improvisatorischen Charakter. Eine Zeitlang waren wir Konkurrenten; ich erging mich in nordischen und schottisch-englischen Balladen, und weil diese gefielen, erschien er auch mit .Harald“, mit .König Radgar“ und ähnlichem. Ich mußte mich darüber ausschweigen, ärgerte mich aber, daß er mit solchen Reimereien überhaupt in die Schranken ritt und mit turnieren wollte. So leicht geht das nicht, und wer, wie Eggers das meistens tat, in zwölfter Stunde sich hinsetzt, um ,für morgen“ noch einen aus dem Vorratskästchen genommenen Balladenstoff in herkömmlicher Nibelungenstrophe zusammenzuleimen, der wird als Regel nicht weit damit kommen.“ Fontane, Autobiographische Schriften, Bd. II, S. 188 f. Der oben erwähnte Jahresbericht zum Tunnel- Stiftungsfest ist abgedruckt in: Fontane, Autobiographische Schriften, Bd. III/l, S. 340.
N. 10. Brief vom 28. 6. 1853
Verein für mittelalterliche Kunst - Wilhelm Lübke berichtete über diesen und ähnliche Vereine, die das Kunstleben und den wissenschaftlichen Disput über künstlerische Fragen organisierten. Den Vorsitz im hier erwähnten Verein für mittelalterliche Kunst hatte Gustav Friedrich Waagen inne, der neben Kugler und Karl Schnaase (1798-1875) zu den prominentesten Kunstschriftstellern und -historikern seiner Zeit zählte. Waagen (1794—1868) amtierte seit 1832 als Direktor der königlichen Gemäldegalerie und erhielt 1844 eine Professur für Kunstgeschichte an der Berliner Universität. In den Vereinen traf man sich in der Regel monatlich, um dem Abhalten von Vorträgen, den Hinweisen auf Publikationen und der Vorstellung neuer Kunstwerke seine Aufmerksamkeit zu widmen, „woran sich dann freie Erörterungen knüpften.“ Wilhelm Lübke, Lebenserinnerungen, S. 331.Besonders betonte Lübke den ungezwungenen Charakter der Zusammenkünfte, bei denen der Professor dem Studenten frei Rede stand.
Nr. 11 . Brief vom 22. 7. 1853
Neu Ruppiner Poststempel - Fontane hielt sich im Juli 1853 in Kränzlin bei Neu Ruppin auf, von wo er am 7. 7. an seinen Freund Wilhelm Wolfsohn folgenden Befindlichkeitsbericht gab: „ . . . ; ich stecke hier nicht weit von der mecklenburgischen Grenze, habe demgemäß Geschäft und Literatur (was leider ein und dasselbe ist) wie eine Zwangsjacke abgestreift und klettre hier in den Kirschbäumen umher, als wär’ ich schon bei Lebzeiten in den Balg eines Eichhörnchens gefahren. .. . Mir selbst geht es eigentlich schlecht. Ich soll die Schwindsucht haben und einem nun halbjährigen Husten nach muß ich’s selber glauben. Ich war 4 Wochen in Bethanien und trank Ober-Salzbrunnen, hier trink ich Molken — dennoch wird es nicht besser und nehm’ ich diesen Husten mit in den nächsten Winter hinüber, so kann ich einpacken. Eine Reise nach Italien wäre ein Rettungsmittel, statt dessen werd’ ich binnen wenigen Wochen wieder in der alten Tretmühle gehn und so lange Zeitungsartikel schreiben bis ich eines schönen Tages auf der Hinterseite der Zeitung unter den Annoncen zum letzten Mal und ohne mein Dazuthun die Aufmerksamkeit eines verehrlichten Publikums für mich in Anspruch nehmen werde.“ Hanser Briefe 1, S. 348 und 349.
100 rth. - Fontane, der seit Februar 1853 die letzte Revision der Preußischen Zeitung übernommen hatte - „ein Abend- und Nachtdienst, der meinen Wünschen mehr den jeder andre entsprach“ (an Immanuel Hegel, den Chef der Centralstelle für ■Preußenangelegenheiten, 28. 10. 1853, Hanser Briefe 1, 369) -, mußte aufgrund