zu gewähren, welcher zwar einer wissenschaftlichen Grundlage, jedoch keines Studiums der Alterthumswissenschaften in ihren Quellen bedarf, wohin Kunst, höhere Gewerbe, Bau-, Berg- und Forstwesen, Landwirth- schaft-, Kriegs- und Handelsstand zu zählen sind“. 9 Der Magistrat hatte sich im Bedarf an qualifizierten Kräften für die praktischen Erwerbszweige, in denen sich der technisch-ökonomische Fortschritt vollzog, und in deren Anziehungskraft nicht getäuscht. 1825 gegründet, zählte die gut ausgestattete kommunale Einrichtung Ostern 1833 in ihren fünf Klassen schon 198 Schüler; Zedlitz' „Neuestes Conversations-Hand- buch für Berlin und Potsdam“ widmete ihr mehr Aufmerksamkeit als den altehrwürdigen Gymnasien — dem Joachimsthalschen und dem zum Grauen Kloster. Fontanes Vater durfte überzeugt sein, eine sinnvolle, dem Zug der Zeit entsprechende Wahl getroffen und die 15 Reichstaler gut angelegt zu haben, die von einem auswärtigen Schüler fürs Quartal verlangt wurden.
Daß sich Fontanes Wirklichkeitssinn und sein unbeirrbares Arbeitsethos auf den Geist und die empirische Methode zurückführen ließen, die an der Gewerbeschule herrschten, muß man allerdings bezweifeln. Sein Memoirenbuch „Von Zwanzig bis Dreißig“, das die Quelle für diesen Lebensabschnitt ist, spricht fürs Gegenteil. Damals wurde besiegelt, was er lebenslang als seine Bildungsmisere beklagt hat. Nicht genug, daß sich der Gedanke an ein Studium faktisch erledigt hatte — auch der zweite Bildungsweg wurde mit fragmentarischen Kenntnissen zugunsten einer Apothekerlehre nach väterlichem Vorbild vorzeitig abgebrochen. Der junge Mensch, der unter diesen Umständen berufsfremde geistige, historische und literarische Interessen entwickelte, war in der Stadt der Intelligenz, wie Berlin nicht ohne Spott und nicht ohne Grund genannt wurde, von vornherein auf eine Außenseiterstellung verwiesen.
Erinnert man sich an den Pfarrerssohn Emanuel Geibel, der, ein Kind der Freien und Hansestadt Lübeck, 1835 von Bonn kommend in Berlin seine Studien fortsetzte, dann läßt sich das Gewicht des Handikaps erahnen, unter dem Fontane seinen Weg antrat. Geibel saß nicht nur in den Kollegs der großen Philologen Boeckh und Lachmann und des Historikers Droysen — der angehende Poet hatte auch wenig Mühe, Zugang zu den in Kunst und Wissenschaft tonangebenden Kreisen zu finden. Seine Biographie nennt unter den Berühmtheiten, mit denen er bekannt wurde, die Namen Hitzig, Chamisso, Gruppe, Kopisch, Alexis, Raupach, Eichendorff, Gaudy, Steffens, Schack, Holtei, Schadow, Gubitz, Kugler und nicht zuletzt Bettina von Arnim, die ihm schließlich auch eine Hauslehrerstelle bei dem Fürsten Katakazy in Athen vermittelte.
Fontane hingegen blieb, ob das nun letzten Endes für ihn von Nachteil oder Nutzen war, ein Autodidakt, dem es versagt war, vom Rang der Universität zu profitieren, die jenen Ehrentitel einer „Stadt der Intelligenz“, wenn es denn einer war, am ehesten rechtfertigte. Die prägenden Eindrücke der Gewerbeschulzeit entstammten nicht dem Unterricht, die Lebensumstände behielten die Oberhand, und allem Anschein nach hatten sie bleibende soziale Orientierungen zur Folge. Sie hingen mit der win-
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