digen Person und den beiden ungleichen, bisher kaum beachteten Wohnungen seines Onkels August zusammen, der sich egal auf wessen Kosten ein angenehmes Leben machte. Fontane wurde zu ihm in Pension gegeben. Er hat das originelle Haus in der Burgstraße 18, wo außer dem Besitzer nur die Fontanes wohnten, eingehend geschildert — nicht ohne (1898) einen Seitenhieb anzubringen auf die „nichtssagenden Patentwohnungen unserer Tage, die wie aus der Schachtel genommenes Fabrikspielzeug wirken“ 10 Es handelte sich um eine gute Adresse in der besten Umgebung: „An Sommerabenden lagen wir hier im Fenster und sahen die Spree hinauf und hinunter. Es war mitunter ganz feenhaft, und wer dann von der ,Prosa Berlins 1 , von seiner Trivialität und Häßlichkeit hätte sprechen wollen, der hätte einem leid tun können. In dem leisen Abendnebel stieg nach links hin das Bild des Großen Kurfürsten auf und dahinter das Schleusenwerk des Mühlendamms, gegenüber aber lag das Schloß mit seinem ,Grünen Hut“ und seinen hier noch vorhandenen gotischen Giebeln, während in der Spree selbst sich zahllose Lichter spiegelten“ 11 !.
Der Umzug in die Große Hamburger Straße 1835 kam einem sozialen Absturz gleich; Fontane setzte die Kontraste entsprechend scharf gegeneinander: „Trotzdem alles ganz neu war, war alles auch schon wieder halb verfallen, häßlich und gemein, und wie der Bau, so war auch — ein paar Ausnahmen abgerechnet — die gesamte Bewohnerschaft dieser elenden Mietskaserne. Lauter gescheiterte Leute hatten hier, als Trockenwohner, ein billiges Unterkommen gefunden: arme Künstler, noch ärmere Schriftsteller und bankrotte Kaufleute, namentlich aber Bürgermeister und Justizkommissarien aus kleinen Städten, die sich zur Kassenfrage freier als statthaft gestellt hatten. Eine Gesamtgesellschaft, in die, was mir damals glücklicherweise noch ein Geheimnis war, mein entzückender Onkel August — er war wirklich entzückend — durchaus hineingehörte“.
Fontanes Erinnerungen an das Doppelhaus Nr. 30/30 a, wo in seinem Zimmer „das Wasser in langen Rinnen die Wände hinunterlief“ 12 , scheinen im ganzen zuzutreffen. Von der Bewohnerschaft gewinnt man allerdings aus dem „Adress-Buch für Berlin“ auch dann ein abweichendes Bild, wenn man die Stichhaltigkeit der Angaben zurückhaltend beurteilt. Das Gros der Gesellschaft, die an Buntheit nichts zu wünschen übrig ließ, bestand demnach 1835 aus Handwerkern und Witwen (Witwenschaft erleichterte die Prostitution, die auch in den Memoiren Erwähnung findet). Die Creme bildeten der Hausbesitzer und drei Leutnants, wovon zwei adlig. Der Beamtenschaft lassen sich mit Sicherheit nur drei Postsekretäre zurechnen, statt der Kaufleute begegnen zwei Viktualienhändler, und Literaten oder Künstler fehlen überhaupt. Der einzige Maler war mit Stuben-, nicht mit Leinwänden befaßt.
Anderes, was nahelag, blieb in Fontanes Erinnerung unerwähnt. In fünf Minuten war man am Hamburger Tor, hinter dem sich zur Rechten das Vogtland erstreckte und zur Linken die Wiesekeschen Familienhäuser erhoben. Fontane nahm damals immer öfter Gelegenheit, sich vom Schulbesuch zu dispensieren und „halbe Wochen lang in- und außerhalb der Stadt herumzutreiben“ 13 .