Heft 
(1986) 41
Seite
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schaftlichen Status bedroht, der ihm nach seiner Herkunft aus einer Honoratiorenfamilie und nach seinen höheren geistigen Interessen bestimmt schien, dem jedoch durch seine ungesicherte, kümmerliche und zeitweise verzweifelte Einkommenslage der Boden entzogen wurde. Ob er wirklich Gefahr lief, in eine Bohemeexistenz abzugleiten, wie er im Alter meinte, ist umstritten. Daß er in einer subalternen, abhängigen Stellung steckenzubleiben drohte, steht außer Zweifel; diese Gefahr vermochte er erst in den fünfziger Jahren, als sich auch seine materiellen Verhältnisse stabilisierten, endgültig abzuwenden. Bis dahin behalf er sich die längste Zeit mit einem Doppelleben, dessen größeren Teil der Apothekerberuf in Anspruch nahm. Zu diesem Beruf trat er in ein vollkommen entfrem­detes Verhältnis, ohne deshalb seine Arbeitsaufgaben zu vernachlässigen. Außer dem Broterwerb hielt ihn darin nur die trügerische Absicht fest, den Sprung in eine gesicherte, selbständige und letzten Endes standes­gemäße Existenz zu schaffen, die mit dem Erwerb einer Apotheke ver­bunden war. Aber er hatte schon während des verbummelten letzten Schuljahres einen Bezirk entdeckt, wo er sich für die tagtägliche Ent­wertung seiner Person und seiner Tätigkeit schadlos halten konnte. Hatte er den Vormittag im Grunewald oder in Tegel zugebracht, was er später im Scherz zum Beginn seiner märkischen Wanderungen erklärte, so wurde der Nachmittag höheren Zwecken gewidmet.

Zugänge zum literarischen Leben im Vormärz

An der Ecke der Schönhauser- und Weinmeisterstraße, will also sagen an einer Stelle, wohin Direktor Klöden und die gesamte Lehrerschaft nie kommen konnten, lag die Konditorei meines Freundes Anthieny, der der Stehely jener von der Kultur noch unberührten Ost-Nord-Ostgegenden war. Da trank ich denn, nachdem ich vorher einen Wall klassisch-zeit­genössischer Literatur: den Beobachter an der Spree, den freimütigen - , den ,Gesellschafter und vor allem mein Leib- und Magenblatt, den .Berliner Figaro, um mich her aufgetürmt hatte, meinen Kaffee. Selige Stunden 19 .

Wie es scheint, genoß der jugendliche Kaffeegast außer seinem Getränk und den ausliegenden Journalen auch die Respektierung durch seinen Freund Anthieny. Welche Stelle derselbe (Münzstraße 23) unter den 98 Unternehmungen einnahm, die auf die Bezeichnung Konditorei An­spruch machten, ist nicht klar; von Stehely am Gendarmenmarkt, der mit vier oder fünf anderen die Spitze hielt, reichte die Stufenleiter hinab bis zum Kellerloch. Aber aus Fontanes SkizzeCafes von heut und Kon­ditoreien von ehemals, die das pittoreske Erscheinungsbild und den kordialen Umgangston bei Fiocati,einem italienischen Konditor alten Stils und dritten Ranges 20 wiedergibt, kann man ersehen, was ihm damals akzeptabel erschien. Gleichgültig auf welcher Rangstufe, verfügten diese Lokale, die im Berlin der dreißiger und vierziger Jahre eine Institution darstellten, über zwei charakteristische Eigenschaften. Für ihre Besucher hielten sie Erzeugnisse der periodischen Presse bereit, und der Name wies den Besitzer als einen jenen Zuwanderer aus, die vornehmlich aus der