ten Wilhelm von Merckel fand Fontane 1850 im preußischen Pressedienst Verwendung, wo er sich — mit beträchtlichen Unterbrechungen und notdürftigen Rückgriffen auf andere Erwerbsquellen — bis Ende der fünfziger Jahre halten und trotz ständiger Schwierigkeiten hocharbeiten konnte.
Die Niederlage der Revolution von 1848/49, die in ungezählten Biographien einen Einschnitt, Knick oder Bruch hinterlassen hat, zog auch in Fontanes Fall eine praktische Neuorientierung nach sich, deren Auswirkungen früher oder später auf seine gesamte Lebenstätigkeit Übergriffen. Das Büchermachen und Artikelschreiben fing jetzt an, die Verfertigung poetischer Gebilde zu verdrängen, und die materiellen Existenzgrundlagen wurden von nun an vier Jahrzehnte lang durch feste journalistische Arbeitsverhältnisse gesichert, die er mit zentralen Macht- und Publikationsorganen der in Preußen herrschenden Klassen einging. Um nur das Wichtigste anzuführen: Erst neben, dann an die Stelle der englisch-schottischen Balladen, auf die er sich im „Tunnel“ verlegt hatte, traten in den fünfziger Jahren die Korrespondenzen, die der Presseagent des Ministeriums Man- teuffel aus London schickte, und die Reisebücher, die er daraus herstellte; die „Männer und Helden“ der preußischen Geschichte wurden nicht länger besungen, sondern seit 1859 in der historischen Landschaft der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ aufgesucht; umfangreiche Darstellungen der siegreichen Kriege gegen Dänemark 1864, Österreich 1866, Frankreich 1870/71 nahmen bis Mitte der siebziger Jahre die beste Arbeitskraft in Anspruch. Die Folge war, daß sich seine Position innerhalb des literarischen Berlin grundlegend veränderte, während die Stadt definitiv zum Zentrum seiner bürgerlichen Existenz wurde. Beide Vorgänge gelangten an der Wende der fünfziger Jahre zu einem vorläufigen Abschluß, der zugleich einen Neubeginn darstellte.
Uber den „Tunnel“, der ihn 1850 zu seinem Sekretär wählte und ihm noch 1859, nach der Rückkehr aus England, die Würde des Vorsitzenden, des „Angebeteten Hauptes“ übertrug, wuchs er in diesem Jahrzehnt zusehends hinaus. Er fand sich mit einem Personenkreis zusammen, der nach der Revolution neu in den Verein gekommen war, aber nicht recht darin aufging; im Hause des Kunsthistorikers Franz Kugler und seiner Frau Clara hatte er seinen Mittelpunkt. Kugler, ein Gelehrter von Rang, war Vortragender Rat im Kultusministerium; er hatte eine Tochter Julius Hitzigs geheiratet, des Juristen und Schriftstellers, der einst die literarische „Mittwochsgesellschaft“ gegründet hatte und ein Freund E. T. A. Hoff- manns und Adelbert von Chamissos gewesen ist; im anspruchsvollen Kreis der Kuglers ist unter der gutbürgerlich familiären Erscheinungsform noch der späte Abkömmling romantischer Salonkultur zu erkennen, die in der Stadt geblüht hatte. Wer hier verkehrte, hatte sich meistens nicht bloß durch ein Bändchen Gedichte legitimiert, er hatte die Beschäftigung mit den schönen Künsten, den bildenden noch mehr als der Literatur, zu seinem Beruf gemacht; Friedrich Eggers, der Herausgeber des „Kunstblatts“, der Kunsthistoriker Wilhelm Lübke, der Architekt Richard Lucae - alles waren Männer, die wie der berühmte Jacob Burckhardt über kurz oder lang zu Namen und Einfluß gelangten. Fontane bereitete den Polter-
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