Heft 
(1986) 41
Seite
304
Einzelbild herunterladen

verschloß man sich auch heterogenen Erscheinungen nicht. Aber im ganzen bestimmte doch der Geist der Gastgeber den Geist ihrer Zirkel, und dies war auf den kleinsten Nenner gebracht ein freiheitlich antiabsolutistischer. Daraus erklärt sich unschwer Fontanes Außenbleiben. Er hatte nicht den Vorzug, wie Scherenberg von Franz Duncker umworben zu werden, sondern hatte Mühe, für die Sammelbände eigener und fremder Arbeiten, die er seit 1850 herausbrachte, von Mal zu Mal andere Verleger zu inter­essieren. Er war erst im Begriff, sich in der Literatur einen Namen zu machen, den seine Feldherrnlieder und Balladen bisher nur den Kennern und Bekannten nahegebracht hatten. Auf dem Pressemann Fontane aber lag der Schatten des Reaktionären, der sich aus seiner Tätigkeit für die restaurative Regierung unvermeidlich ergab und sich ungleich vertiefte, als er nach kurzem Flaggenwechsel 1860 in die Redaktion derKreuz­zeitung eintrat, die das Organ der intransigenten Junkerpartei war. Nicht nur Lepel sah darin einen Übergang auf die politische Gegenseite. Adolf Stahr, der sich für die Feldherrnlieder begeistert hatte, kreidete Fontane schließlich öffentlich an, daß der zweite Band seinerWanderungen durch die Mark Brandenburg vom Standpunkt der Kreuzzeitung geschrieben sei 48 . Fontane Position, die von diesem Hieb besser getroffen wurde als seine Person und sein Buch, hatte sich anfangs der sechziger Jahre aber­mals tiefgreifend verändert.

Als konservativer Literat am Beginn der Konfliktzeit

Zur selben Zeit wurde derVerein Berliner Presse gegründet; zu den ersten Mitgliedern zählte der junge Paul Lindau. Seine Mitteilungen aus den Anfängen des Vereins lassen sowohl das einigermaßen dubiose jour­nalistische Rollenspiel hervortreten als auch den grundsätzlichen Polari­sierungsvorgang, an denen Fontane teilnahm.

Man lernte sich kennen, man lernte sich schätzen. Und gerade die völlige Verschiedenheit der politischen, religiösen und socialen Ueber- zeugungen der einzelnen Mitglieder machte den gegenseitigen Verkehr zu einem artig-höflichen und gemüthlichen Umgang. Da saß Bernstein mit seinem Sammetkäppchen, der kurz vorher in einem trefflichen Leitartikel der ,Volkszeitung 1 sein Anathema gegen die übermüthige Junkerwirth- schaft geschleudert, in traulichem Gespräch mit Beuthner, der unter seiner Brille mißtrauische Blicke auf den Mosel warf und ganz vergessen zu haben schien, daß er ,dem jüdischen Leitartikelschreiber der Volkszeitung 1 in der ,Kreuzzeitung 1 einige recht wenig verbindliche Redensarten an den Kopf geworfen hatte. Am Abend fand er diesen Leitartikelschreiber ganz charmant und die Verschiedenheit der Confessionen schien ihn gar nicht zu schmerzen. Ueberhaupt waren die Redacteure der ,Kreuzzeitung 1 sehr schätzenswerthe Mitglieder des Vereins: der feingebildete, liebens­würdige Theodor Fontane und vor allem George Hesekiel, der sein ,Buch vom Grafen Bismarck noch nicht geschrieben hatte, Hesekiel, der Virgil der Mark, der die poetischen Schönheiten der Sandwüste wie ein wahrer Dichter, der er ist, besungen (...) 49