Wagner abstrahierte ich, als ich den Stil einmal als ,eine geheimnisvolle Verbindung des Persönlichen mit dem Sachlichen“ zu bestimmen versuchte [.. .]“ 12 . Daß Fontane vor allem im ,Stechlin“ die „Nebenfiguren auf T eitmotive gestellt“ habe, gehört für Thomas Mann zu den artistischen Merkmalen, die das Alterswerk weit über allen bürgerlichen Realismus hebe. 13 Die verblüffendste Parallele jedoch zwischen Fontane und Wagner sieht Mann darin, daß die — auch für ihn selbst typische — Formel „Mythus und Psychologie“ sowohl den Schriftsteller wie auch den Musikdramatiker charakterisiere. 14 Im Fall Fontanes stehe allerdings die konservative, mythenbewahrende und mythenschöpfende Haltung des Balladendichters im Gegensatz zur Analytik des Briefschreibers, der dem poetisch verherrlichten Bismarck gegenüber nun die Psychologie als „das schärfste Minierwerkzeug demokratischer Aufklärung“ einsetze. 15 Was bei Fontane in Poesie und Kritik getrennt ist, fällt bei Wagner, folgt man Thomas Manns Urteil über die ,Ring‘-Tetralogie, in eins: „Nichts kann wagnerischer sein als diese Mischung aus mythischer Urtümlichkeit und psychologischer, ja psychoanalytischer Modernität. Es ist der Naturalismus des neunzehnten Jahrhunderts, geweiht durch den Mythus.“ 10 Wie immer man zu Thomas Manns sicher nicht mit wissenschaftlicher Intention formulierten Analogisierung steht: Fontane und Wagner berühren sich wenn nicht in Stil und Ausführung, so doch in der Prononcierung ihrer Themen: in der Frage des „Plutokratismus“, der Warnung vor dem „roten Gold“ 17 sowie im Interesse für die Macht des „Elementaren“ in einer scheinbar nüchternen, materiell bestimmten Zeit. Wie freilich die thematisierten Probleme gelöst werden könnten: das ist eine Frage, die von Fontane und Wagner höchst unterschiedlich beantwortet wird. Hier steht dem letztlich unpolitisch-revolutionären Anarchismus Wagners die maßvolle, sich allerdings im Alter zu entschiedenem Reformismus wandelnde Einstellung Fontanes gegenüber — eine gegensätzliche Denkform, die ihr Pendant in ebenso unterschiedlichen poetologischen Prioritätssetzungen hat. Während Wagner das „Kunstwerk der Zukunft“ als alleinherrschende und gewissermaßen das Ende der bisherigen Theaterperiode herbeiführende Doktrin entwirft, bleibt Fontane theoretisch im Rahmen des herrschenden Realismus; sein Postulat der „Verklärung“ bzw. „Modelung“ versucht, gegenüber dem Naturalismus eines Emile Zola ein Residuum der klassischen Ästhetik des Maßes zu bewahren, ohne daß dies für seine Romane selbst allzu strenge Konsequenzen nach sich zöge. In seinen besten Erzählungen und Romanen geht Fontane bekanntlich weit über das theoretisch Reflektierte hinaus und stellt die Verbindung zur Prosakunst des 20. Jahrhunderts her.
Man weiß seit langem, wie kunstvoll Fontane in seinen Romanen das Zitat, die literarische, politische, kulturhistorische Anspielung erzähltechnisch und sinnkonstituierend funktionalisiert. Die Romantik-Debatte des historischen Romans ,Vor dem Sturm“ (1878) ist ohne die Kenntnis von Heinrich Heines .Romantischer Schule“ nicht zu verstehen; in ,L’Adultera“ (1879/80), dem ersten Berliner Gesellschaftsroman, rückt Wagners Werk als zitiertes Handlungs- und Reflexionsmodell in den Mittelpunkt des Interesses. Es wurde bereits früh gesehen, daß Wagner