Heft 
(1986) 41
Seite
316
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und sein Kultus bei der Konfrontation der Hauptfiguren auf der einen Seite Ezechiel van der Straaten als Anti Wagnerianer, auf der anderen Seite Melanie van der Straaten und Ebenezer Rubehn als Wagnerianer eine entscheidende Rolle spielen. 18 Erst Heide Eilert jedoch hat den dominie­renden, strukturbestimmenden Anteil von Motiven Wagners und der europäischen Decadence in Fontanes Roman nachgewiesen. 19 Daß Eilert allerdings die antiwagnerianische Überzeugung van der Straatens mit der des Autors gleichsetzt, widerspricht völlig dessen ästhetischer Grundein­sicht und kommt bedenklich dem von ihm bekämpften Verfahren der manichäischen Schwarz-Weiß-Zeichnung nahe. Differenzierung, Nuancie­rung ist auch in .LAdultera' die Devise. Heide Eilert hat festgestellt, daß der Ehebruch Melanies sich nach dem Muster von Wagners ,Tristan und Isolde' vollzieht und der Abbau der Hemmungen durch dieWagner- Hexerei des ,Tannhäuser' befördert wird. Die erste Begegnung der Lie­benden steht jedoch was bisher nicht beachtet wurde im Zeichen des schmerzlich-resignativen Abschieds Wotans von seiner Tochter Brünnhilde am Ende der ,Walküre'. Auch wenn Rubehn im Anschluß daran Melanie zu einer Venusgestalt stilisiert und einerseits auf dieabgeschirmte Künst­lichkeit und Realitätsferne ihrer Lebensweise, andererseits auf die Gefährdung dieser künstlichen Distanz zum Leben durch Leidenschaft und erotische Verführung hinweist 20 , ist doch das resignative Element nicht zu verkennen, das jede mögliche Lösung des Konflikts Beharren im Ehe-,,Vertrag oder Loslösung aus ihm überschattet. Auf die Frage Melanies, welchem Wagnerschen Werk Rubehn den höchsten Preis zu­erkenne, worin der Meister ihmam bedeutendsten oder doch am eigen­artigsten erscheine, nennt Rubehn nicht etwa ,Tannhäuser', sondern die ,Meistersinger' eine Wahl, mit der Melanie sich ausdrücklich einig erklärt. 21 ,Die Meistersinger' aber sind dies wurde bereits angedeutet das Werk Wagners, das Fontane selbst am uneingeschränktesten anerkannt hat, weil hier die doppelte Aufgabe als gelöst erscheint: nämlich die Liebes- und Kunstproblematik in ihrer Verschränkung zu behandeln. In den .Meistersingern' wird nicht nur ein Ausgleich von alter und neuer Kunst durch Hans Sachs hergestellt, sondern auch zwischen erstarrter und lebendiger Bürgerlichkeit. Indem Fontane das von ihm selbst geschätzte Werk also als Lieblingsoper Rubehns und Melanies herausstellt, relativiert er die ausschließliche Geltung des ,Tann­häuser'- und ,Tristan-Modells; van der Straatens Sarkasmen beziehen sich übrigens nie auf die .Meistersinger 1 , sondern ausschließlich auf den .Fliegenden Holländer', .Tannhäuser', .Tristan' und den ,Ring. Aber auch das .Tristan'-Modell wird von Fontane nur vorsichtig ausgenutzt, weil die apriorisch-metaphysisch verankerte Gleichsetzung von Liebe und Tod nicht zu der humanbürgerlichen Lösung des Konflikts paßt. Als sich van der Straaten unmittelbar vor dem entscheidendem 12. KapitelUnter Palmen von seiner Frau und Rubehn verabschiedet, zuvor aber noch das Programm erfährt, das die beiden während seiner Abwesenheit absolvieren wollen, reagiert Melanie auf die Frage, ob .Tristan' gesungen werde, mit einemNein, das nicht einfach als Vertuschung anzusehen ist. 22 Während Heide Eilert die .Tristan'-Bezüge des Romans also wohl