- Toni. - s9i
monotone Brausen des Windes, das die Rauchsäule hin und hersagte, mischte sich in den Lärm der Locomotive. Blickte ich durch die trüben, nassen, srostangelaufenen Scheiben, so sah ich Bäume, gestern noch in Blüthenpracht prangend, mit Schnee belastet, vom Winde gezerrt und gebogen. War der Winter wieder da? Fußgänger huschten eilig dahin und suchten den Schutz der Häuser, die Flocken wirbelten nieder, als solle der Zug, mit dem wir fuhren, im Schnee stecken bleiben.
In Pilsen angekommen, begab ich mich sofort in das bekannte Haus. Die erste Person, die mir auf der Treppe entgegenkam, war Wallburg, der ganz verstört aussah und die größte Eile zu haben schien.
„Was islls?" fragte ich ihn. „Nicht wahr, es steht schlimm? Ich sehe es Ihnen an. Gewiß gehen Sie den Arzt zu holen?"
Ter alte Mann war unvermögend, irgend ein Wort hervorzubringen. Er umarmte mich leidenschaftlich, indeß die Thränen über seine faltigen Wangen herabrollten, und hielt dann meine Hände krampfhaft fest.
„Ich muß zu ihr!" rief ich und stürmte die Treppe hinaus. Wallburg
folgte.
Mit zitternder Hand öffnete ich die Thür. Welch ein Anblick! Ich sah das Bett, ich sah eine Gestalt, welche den Kopf nicht mehr nach dem Hereinstürmenden wandte, welche keine Hand mehr zum Willkommen bot.
Ich that ein paar Schritte vorwärts und stet mit einem Schrei vor dem Bette nieder.
„Sie ist todt!" rief ich.
Es war so. Ich war zu spät gekommen. Vor einer halben Stunde hatte Toni ihre kindliche Seele ausgehaucht.
Ich konnte nichts thun, als mein Gesicht in die Kissen begraben, auf denen mein zertrümmertes Glück ruhte. Erst nach längerer Zeit fand ich Muth, sie anzusehen. Ans den marmorbleichen Zügen lag das Gepräge des ewigen Friedens.
Ich will nichts davon sagen, wie wir sie der Erde übergaben, wie wir den Sarg umstanden, ihn herab senken sahen und die ersten Schollen auf ihn kollerten. Von alledem habe ich auch nur noch eine unklare Erinnerung.
Es war am dritten Tage, ich kehrte nach Hause zurück. Es wollte wieder Frühling werden — wie aber sah es ringsum aus! Der Sturm, der mich auf meiner Fahrt begleitet, hatte die schönsten Baumkronen gebrochen. Wiesenflächen, unlängst noch grün, waren durch losgegangene Wasser versandet, entwurzelte Bäume lagen querüber, blüthenbeschwerte Aeste deckten die Wege, die schönsten Sproßen waren schwarz vom Frost. Ein Herbst ohne Frucht stand in Aussicht.
„Frühling des Jahres, Frühling des Lebens, du Zeit der Wetter!" rief es in mir. „Auch mit der ersten Liebe, dem ersten Grün, den ersten Blüthen des Herzens treibt ein erbarmungsloser Sturm sein Spiel. Warum zum Lichte erwachen, warum blühen, wenn gleich daraus der Sturm die