Eine Minterreise an den Königssee. -
zwanzig Thicre umdrängen dieselbe, aber im Augenblick weichen sie zurück, da der Gewaltige erscheint. So gilt auch in der Thierwelt das uralte Recht des Stärkeren und keiner wagt, es zu durchbrechen.
Endlich mußten wir doch unser Asyl verlassen, wir hatten sechsundsiebenzig Stück gezählt — welchen Sturm wirds unter Denen geben, wenn sie das leiseste Lebenszeichen gewahren? Denn das ist nicht zahmes Parkwild, das sich an bekieste Wege und freundlichen Lockruf gewöhnt, sondern Bergwild, herbes Edelwild, das auf der rauhesten und gewaltigsten Scholle unseres Hochlandes heranwächst und nur in diesen härtesten Wochen zagend der Noth gehorcht.
Da knarrt der Riegel auf der Tenne, wie ein Blitzschlag zuckt es durch den flinken Knäuel — ein kurzes Verhofsen und sturmschnell stäuben sie auseinander ins Tannendunkel.
Wir treten heraus auf den freien Plan, im harten Schnee kreuzen sich tausendfach die Spuren, aber eisigstille Waldeinsamkeit umgiebt uns wieder. Alles ist fort. Da fühlt man unbewußt die tiefe Beziehung, in der das Thierleben der Berge zur Bergwelt steht, man fühlt das Gewaltige, Uralte, das in diesem Leben des Waldes liegt, in diesem Kampf um's Dasein.
Aber feine ursprüngliche Härte ist ihm freilich genommen, feit der Mensch, der große Quäler und zugleich der große Helfer seine Sorgfalt bis in diese entlegene Wildniß trug. Hunderte von prächtigen Thieren gingen
in diesen Bergreviren allwinterlich zu Grunde, sie brachen ein, wenn der gefrorene Schnee sich lockerte, sie verkamen am Fichtenharz, wenn sie zuletzt nur mehr die Tanuenzweige benagten, und jedes Frühjahr fanden die Jäger die gewaltigen Skelette.
Nun aber kommt der Mensch und hegt und spart sich dies Leben, denn nicht der Hunger, sondern sein Geschoß soll dasselbe fällen. Und das müde Thier nimmt willig sein Geschenk.
Das große Verdienst, das diese Futterstätten um die Erhaltung unseres Hochwildes haben, wird gleichwohl im Ernste Niemand verkennen. Drüben, in der Hirschau, wagen sich selbst Rehe heran, stattliche Sechserböcke, obwohl « sie neben dem Hirschwild schweren Stand haben, niemals aber kommen die Gemsen. Sie verhungern lieber, ehe sie vom Menschen Hilfe nehmen.
Als wir über den See nach Bartholomä zurückkehrten, hatte sich die Stube allmählich mit Menschen gefüllt, die aus der Nachbarschaft gekommen; es waren Bauern, Holzarbeiter, Jäger mit ihren Mädchen, auch einige Bürgersleute von Berchtesgaden. Alle Tische waren besetzt, und ein lautes Leben hatte sich entfaltet, das in Rede und Gegenrede überquoll, die ganze Stube war in blauen Qualm gehüllt und die schweren steinernen Krüge fanden wenig Rast.
Längst schon war die Sonne hinter den hohen Gipfeln hinabgesunken, blau und schattenkalt lagen die Felsenwände und man hörte es am Knirschen des Schnees, wie die Kälte gegen Abend stieg. Wenn wir noch vor Dunkel-