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Karl 5 ticler in München.
heit zurückkehren wollten über den schwarzen unheimlichen See» dann war's die höchste Zeit und so bestiegen wir denn unsere Schlitten. — Ein letzter Scheidegruß und sausend ging's von hinnen!
Welcher Reichthum, welcher Wandel von Farbe, Glanz und Leben lag in diesem kurzen Tageslauf zwischen Morgen und Abend, wann werden wir es jemals wieder erleben, daß alle Winterpracht sich so vereinigt! Spiegelndes Eis, wolkenloses Blau, der Wald mit Schnee belastet, die Zweige vom Reif versilbert und Nächte im herrlichsten Vollmondschein!
Vielleicht nie wieder — dachten wir leise, als wir vorüberflogen au den fahlen, bleichen Felsenwänden. Der Himmel trug schon das geheimniß- volle Zwielicht, das den nahen Mond verkündet, mit einem letzten Schein von Alpenglühen lag der Untersberg draußen im Lande.
Da pvallt mit jähem Ruck unser Schlitten an's Ufer; wir hatten den weiten Weg, der wohl anderthalb Stunden mißt, in fünfzehn Minuten zurückgelegt.
Und nun galt's wohl noch weiter Eile — noch saßen wir am einsamen Königssee und morgen früh um acht soll jeder in München auf seinein Platze sein — im Atelier, auf dem Katheder oder beim Amte. Den beiden Schimmeln aber war es wohl geworden von der langen Rast, ungeduldig scharrten sie im Stalle und wiehernd schlugen sie aus, als unser Gefährt nun endlich bespannt wurde.
Silberhell glänzte der blendende Schnee, beim Vollmondschein waren wir gekommen, beim Vollmond zogen wir von dannen. Wann kehren wir wieder — da die Welt so schön ist und wir so frohgemuth?
Aber der Hufschlag erklang und zertrat mit schneidiger Kraft diese träumenden Gedanken; das Posthorn scholl durch die verschneite Winternacht, die wieder vor uns lag wie das lebendige Märchen. Glitzernde Bäume, der mondhelle Watzmann, der hohe Göll und wir flogen dahin fast unhörbar und doch so flink.
Im Anfang führte wilder Uebermuth das Wort; man suchte mit keckem Scherz, die feine „Stimmung" zu übertönen, die in allen Herzen klang, aber mehr und mehr ward es stille, und die Gedanken versinken in schweigende Beschaulichkeit. Kaum hörte man die Ache rauschen zur Seite, wenn sie bisweilen unter dem Eis hervorquoll, in den zerstreuten Häusern glänzte das kleine Licht, ein später Wanderer geht vorüber und blickt uns betroffen an. Und aus weiter Ferne schlägt Gebell von den Einödhöfen an unser Ohr — sonst war es todtenstill in dieser sternbesäeten Winternacht.
Im Fluge ging es dahin zwischen den stattlichen Häusern des Marktes Schellenberg; hier und dort erschien ein Kopf am Hellen Fenster; unter dem steinernen Bogenthor der „Post" standen streitende Zecher, neben der Kirche das Denkmal für die gefallenen Soldaten von 1870. Und im nächsten Moment war auch die schmale Marktgasfe zu Ende, die schwarzen Häuserschatten waren fort und wir fuhren wieder durch die mondhelle Einsamkeit