Heft 
(1986) 41
Seite
345
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möglichkeiten geprüft. In der Diskussion um die im Gegensatz zur deutschen bürgerlichen Literatur alsmodern erkannten Autoren, ihre Werke und Programme entwickelten sich die programmatischen Vorstel­lungen der deutschen Naturalisten. Die Abgrenzung von bestimmten Postulaten und Modellen war ein immanenter Bestandteil des Meinungs­bildungsprozesses und trug wie die Identifikation zurPräzisierung der ästhetischen Ziele bei.

In der Auseinandersetzung mit Zolas Romanen und seiner Theorie des Experimentalromans bestimmten die deutschen Naturalisten die Funktion der naturalistischen Literatur: der Gesellschaft einen Spiegel Vorhalten, um über Desillusionierung eine Veränderung der sozialen Realität zu bewirken.

Während die Funktionsdebatte, das Kernstück der naturalistischen Programmatik, in der vorliegenden Arbeit keine Beachtung findet, stellt die Verfasserin die Gegenstands- und die Methodenfrage und die Dis­kussion um künstlerische Mittel (vom Sekundenstil bis zur Aufführungs­technik) in den Vordergrund der Untersuchung.

Akzentverschiebungen dieser Art werden durch ein stark empirisches Vorgehen begünstigt. Die Kritik der Harts an Zola rückt damit auf eine Stufe mit der Ablehnung durch Ludwig Pfau und Paul Lindau.

Die Bezugnahme auf den historischen Prozeß wird zwar zu Beginn postuliert, jedoch im Text stark verkürzt und formal durchgeführt. Über ihre Methode schreibt die Verfasserin:Sofern nicht nur ästhetische Normen, sondern historisch-gesellschaftliche Bedingungen die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Literatur beeinflussen, müssen diese Fak­toren im Bezugssystem berücksichtigt werden. (S. 18)

Zwei Seiten weiter gibt sie ihrer Skepsis gegenüber einem schematisch aufgefaßten materialistischen Ansatz Ausdruck:Ein materialistischer Ansatz, der den Charakter der literarischen Produktion und Konsumtion deterministisch auf allgemeine politisch-ökonomische Faktoren zurück­führt, wird den Bedingungen der Rezeption ausländischer Autoren nicht gerecht. (S. 20)

So falsch ein deterministisches Vorgehen ist, so unvollkommen ist ein Ansatz, der sich im wesentlichen auf die herrschendenImages (Vor- stellunsgbilder) von den fremden Ländern und ihren Literaturen stützt. Unter Vernachlässigung der Wirklichkeitserfahrungen der deutschen Naturalisten, ihres Verhältnisses zur gesellschaftlichen Realität in Deutsch­land bestimmt die Autorindie Funktion (gemeint ist die Wirkung; B. V.) der Rezeption ausländischer realistischer Literatur für die naturalistische Bewegung (S. 117) folgendermaßen:Während die Aufnahme von Zolas und Dostojewskis Werken zur Konstituierung naturalistischer Gruppen beitrug, hatte die von Ibsens Dramen eine konstitutive Bedeutung für die ganze naturalistische Bewegung. (S. 123)

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt, der Hauptthese entsprechend, auf der Ibsen-Rezeption. Es ist ein Vorzug der Untersuchung, daß insbesondere in dieser Hinsicht interessante Beobachtungen gemacht werden, die aus