der Ardenne-Affaire, Persönlichkeit und Wesen Elisabeths und Armands von Ardenne und ihr Leben nach der Scheidung. Den Versuch, dies zu entfalten und anschaulich zu machen, unternimmt das vorliegende Buch Horst Budjuhns. Das macht zugleich die Eigenart dieses Buches aus: Es muß ausgehen von Fontanes Roman, denn nur weil dieser ein reges literarisches und menschliches Interesse hervorrief, kann eine breitere Öffentlichkeit Anteil am Schicksal einer sonst „unberühmten“ Frau nehmen. Gleichzeitig muß es, was den historischen, biographischen und dokumentarischen Anspruch anbetrifft, weit über den Roman hinausgehen und schließlich alle Verbindungen zu ihm abschneiden, um nicht Fiktion und Realität in unzulässiger Weise miteinander zu vermischen. Die Züge, die Fontane für die Gestaltung seiner fiktiven Figur verwendet, können und wollen sich nur bis zu einem gewissen Grade an der Realität orientieren. Die integrative Funktion und die erzähltechnische Intention der realen Details haben sich in der literarischen Gestaltung von der Realität des Faktischen emanzipiert — ebenso, wie die historische Elisabeth von Ardenne nichts mit Effi Briest zu tun hat. Eben darin liegt zugleich das Problematische von Budjuhns Buch.
Vielversprechend ist die äußere Aufmachung des Bandes und der Hinweis, daß Manfred von Ardenne, der Enkel Elisabeths, Photographien, Briefe und andere Materialien aus dem Privatarchiv der Familie erstmals zur Verfügung gestellt hat. Doch läßt bereits die Vorbemerkung des Autors, „die dokumentarische Grundlage dieses Buches“ werde „durch Fiktion ergänzt, wo die exakte Auf- und Nachzeichnung der unmittelbaren Anteilnahme entgegenzustehen droht“, Zweifel daran auf kommen, ob die geweckten Erwartungen eingehalten werden können. So wird der Leser auf eine Gratwanderung geschickt, die sich zwischen Fiktion und Dokumentation, zwischen Biographie und romanhafter Nachdichtung ihren Weg bahnen muß, zusätzlich verunsichert durch die ständige Weigerung des Autors, die Nahtstellen, die Dichtung und Wahrheit verbinden, offenzulegen. Das Urteil, ob Budjuhn das Material von und über Elisabeth von Ardenne in angemessener oder „pietätvoller“ Weise ausgewertet hat, muß letztlich den Freunden und Angehörigen überlassen bleiben; der Leser darf sich zumindest fragen, ob er das Bild der Frau, die Budjuhn Elisabeth von Ardenne nennt, für wirklichkeitsnah halten darf oder nicht. Doch selbst wenn man akzeptiert, daß das „nachgezeichnete Leben“ auf eine „bildhafte und poetische Weise erzählt“ wird (so der Klappentext), fallen Fehler, Ungenauigkeiten und Unzulänglichkeiten ins Auge, die die Lektüre nicht nur empfindlich stören, sondern zugleich die Frage auf- kommen lassen, wo der Biograph die Grenzen seiner poetischen Lizenz sieht.
Der nachlässige Rotstift des Lektors, grammatikalische Fehltritte und unverdauliche Manierismen beeinträchtigen das Wohlwollen des Lesers erheblich, auch wenn dieses durch mancherlei Stilblüten unfreiwillig wieder aufgemuntert wird („Immerhin verdankt es Elisabeth der rührenden Fürsorge dieser braven Leute, daß sie Anfang Januar 1877 einem gesunden Buben das Leben schenkt“; S. 45). Unbehagen und Ärger aber stellen sich dort ein, wo das „Poetische“ das Dokumentarische überlagert
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