Gleiches gilt für die Anrede „mein hoher Herr“, die auf Kleists „Käthchen von Heilbronn“ anspielt (S. 94).
Überhaupt ist die Darstellung der Elisabeth von Ardenne nicht frei von inhaltsschweren Anklängen, larmoyanten Schilderungen, fragwürdigen Interpretationen und zweifelhaften Wertungen. Dem kritischen Leser wird es nicht leicht gemacht, unter der dick aufgetragenen Theaterschminke das wahre Gesicht dieser Frau zu entdecken. Und sieht Budjuhn wiederholt die Familie von Ardenne Von „Keulenschlägen“ und „Prankenhieben“ des Schicksals oder gar vom „ Atridenfluch“ (S. 154, 178, 221) bedroht, so sieht der Leser, wie der Autor dem Fluch der Phrase widerstandslos erliegt.
Es sei dem Rezensenten gestattet, sich jeglichen Kommentars zu Budjuhns Expektorationen über die Qualitäten des Romans „Effi Briest“, die er im letzten Kapitel „zu Ehren des Dichters“ niederschrieb (S. 229—231), zu enthalten. Zu sehr glänzen sie durch mit Platitüden umkleidetes Unverständnis. Wenn der Autor zwischen Fiktion und Realität eine Reihe von „Parallelen“ herstellt, die „auf ein frappantes Einfühlungsvermögen des Dichters schließen“ lassen sollen (S. 230), so zeugt dies nicht unbedingt von Einsicht in die spezifischen Bedingungen und Intentionen des Erzählkunstwerks.
Dieses Buch hätte ein wichtiges und anregendes sein können; statt dessen wird es zur Enttäuschung. Eine zuverlässige Biographie der Elisabeth von Ardenne ist es jedenfalls nicht, eher der an authentischen Begebenheiten orientierte Roman einer Frau, die Budjuhn Elisabeth von Ardenne nennt.
Anmerkungen
1 Vgl. dazu H. W. Seiffert: Fontanes „Effi Briest“ und Spielhagens „Zum Zeitvertreib“. Zeugnisse und Materialien. In: ders.: Studien zur neueren deutschen Literatur, Berlin: Akademie-Verlag 1964, S. 255-300, sowie die Ausführungen G. Erlers in Fontane: Romane und Erzählungen. — Berlin/Weimar: Aufbau- Verlag, 3. Aufl. 1984, Bd. 7, S. 525 ff.
2 Vgl. Fontane: Sämtliche Werke, hrsg. v. Edgar Groß u. a. - München: (Nymphenburger) Bd. XXII,1 1964, S. 201-203 und 827 f.
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