Karla Bindokat: „Effi Briest“: Erzählstoff und Erzählinhalt. Frankfurt/M.-Bern: Lang 1984. 198 S. Elsbeth Hamann: Theodor Fontanes „Effi Briest“ aus erzähltheoretischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen Autor, Erzählwerk und Leser. Bonn: Bouvier Verlag Herbert Grundmann 1984. 516 S.
[Rez. Joachim Biener]
Die allgemeine Bedeutung Fontanes wie die besondere von „Effi Briest“ sind weiter im Wachsen begriffen. Das beweisen im Falle des Romans, den schon Thomas Mann zu den besten Romanen der Weltliteratur zählte, u. a. die vier Verfilmungen, von denen freilich die erste mit Marianne Hoppe unter der Regie von Gustaf Gründgens schwer zu übertreffen ist, so sehr sich z. B. R. W. Faßbinder um eine neue, originelle filmische Adaption bemühte. Von der noch immer steigenden Bedeutung des Werkes zeugen nun auch die Arbeiten Bindokats und Hamanns. Der Verf. dieser Zeilen, der an einer Lehrerbildungseinrichtung hauptsächlich für die Behandlung deutscher Literatur von 1830 bis 1945 verantwortlich ist, hält nicht nur „Effi Briest“ für poetischer als „Anna Karenina“ oder gar „Madame Bovary“; er sieht in „Effi Briest“, „Buddenbrooks“ und im „Streit um den Sergeanten Grischa“ drei der bedeutendsten deutschen literarischen Werke des genannten Zeitraumes, zwischen denen direkte und unterirdische Verbindungen bestehen. „Effi Briest“, wovon neben Fontanes Romanen überhaupt starke Wirkungen auf die Menschengestaltung in „Buddenbrooks“ und im „Grischa“ ausgingen, man denke an die Darstellung des Bürgertums bzw. der preußisch-deutschen Offiziere, ist wahrscheinlich das geschlossenste und makelloseste der drei so stark herausgehobenen und in eine Traditionslinie gerückten deutschen Erzählwerke.
Die noch immer zunehmende Weltgeltung von „Effi Briest“ beruht offensichtlich auf dem exemplarischen, fast parabelhaften gesellschaftskritischen Vorfall, auf dem unaufdringlichen Ringen um ein natürliches Menschenbild und der Intensität des Romans. Diesen Aspekten gehen die Arbeiten Hamanns und Bindokats auf unterschiedlichen Wegen und mit unterschiedlichter Akzentuierung nach.
Karla Bindokat richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Stoff- und motivgeschichtlichen Grundlagen des Romans. Ihre Grundthese lautet: „Der historische Ardenne-Stoff verschmolz von Anfang an mit Motiven und Stoffen mythologischer Quellen. Nur das momentane Zusammenfallen all’ dieser Motive und Stoffe erklärt die Wucht der schöpferischen Inspiration“ (S. 144). Es ist erstaunlich, was an mythologischen Elementen als vertiefende Stoff- und Motivgrundlage für „Effi Briest“ aufgeboten wird. Auch wenn Bindokat einräumt, daß die zahlreichen Motive des Volksglaubens, der Sage und des Märchens wahrscheinlich vielfach unbewußt eingeflossen und angeeignet seien, bleiben doch Fragen zur