Sinn für das Nahe und Einzelne hat, wird immer neue Quellen des Genusses entdecken. Charakteristik ist ja der Anfang und das Ende aller naturalistischen Dichtung."
In: Tägliche Rundschau (Berlin), 11. Jg. (1891), Unterhaltungsbeilage Nr. 277 vom 26. November 1891, S. 1107/8 (gez. .K. Z.')
Die Fontanes und die Wittes
Ergänzungen zur Freundschaft zwischen beiden Familien nach Materialien aus dem Rostocker Stadtarchiv. Mitgeteilt und erläutert von Günther Pistor (Rostock)
I.
„Nimm das als einen Fingerzeig !" 1 hatte Fritz Esselbach den zwanzigjährigen Fontane ermuntert und ihn veranlaßt, ihm und sich selbst eine Polterabendrolle für eine Hochzeitsfeier im Hause eines Hofschlächtermeisters in der Klosterstraße zu schreiben. Der wohnte nämlich dicht neben dem „Grünen Baum", also dort, wo die Ruppiner Hauderer (Mietkutschen) abfuhren. Der junge Mann aber, an den dies Ansinnen gestellt wurde, war ja „mit Permission ein Ruppiner".
Was immer den Ausschlag gab — der „Fingerzeig" oder die Aussichten auf die Genüsse in der Hofschlächterei — Fontane willigte ein und hatte es nicht zu bereuen. „Zum ersten und zum letzten Male" erlebte er das Milieu'eines „wirklich reichen Altberliner Bürgerhauses". Er rühmt den „völlig aristokratischen Zug", der durch das Ganze ging und vermutet ein halbes Jahrhundert später, daß ein besonderer Fortschritt auf diesem Gebiet der Geselligkeit ausgeblieben sei.
Bemerkenswert ist ihm diese Erinnerung aber noch aus einem anderen Grunde. Er berichtet mit einer Mischung von Humor und Bitterkeit, dieser Abend und dieses Gelegenheitswerk hätten ihm einen Triumph eingebracht, der „vollständig" war und größer, als er ihn je wieder erlebt habe. Er hatte nämlich für sich selber die Rolle „eines ruppigen, den linken Fuß etwas nachziehenden und als Hochzeitsgeschenk eine Amor- und Psyche-Gruppe bringenden Gipsfigurenhändlers" konzipiert. Ist es da zu verwundern, wenn ein Einfall, der solchen Erfolg brachte, bei ähnlichen Gelegenheiten wieder hervorgeholt wurde? Und er ist ja veriationsfähig. Es muß nicht immer Amor und Psyche sein. Ich weiß nicht, ob diese durch Esselbach veranlaßte Rolle noch irgendwo existieren mag. Aber eine Abwandlung dieses Motivs hat sich erhalten; Diesmal
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