Nanni
Un braucht ihr mal Geliert 6 oder Nieritz 7 ,
So bestellt sie nich irgendwo in Kieritz,
Ihr müßt so wat direkt beziehn
Un wir kommen dann wieder von Berlin.
Mein Mann hatte zum Durchsehen nicht mehr Zeit. Ich bitte daher die etwaigen Fehler der Abschreiberin zuzuschreiben.
Emilie Fontane
Die „lebenslange Freundschaft" mit F. Witte und ihre Fortsetzung in der Generation der Kinder ist bekannt. Sie wird beim Durchsehen des genannten Nachlasses, aber auch durch weitere Nachforschungen belegbar. So ist „Frl. Martha Fontane, Berlin" nach dem Reinshagener Kirchenbuch am 8. Mai 1883 als Taufpatin für Gertrud Mengel in Schwiggerow bei Güstrow genannt. Sie ist eine Enkelin von F. und A. Witte und trägt den Vornamen einer im Alter von acht Jahren verstorbenen Tochter der Wittes. Fontanes Brief an seine Tochter Martha vom 5. Mai 1883 beginnt: „Während ich diese Zeilen schreibe, dampfst Du wohl nach Schwiggerow zurück, das Du nun in halbem Pfingst- und Taufschmuck vorfinden wirst." Er schließt: „Habt alle ein schönes Tauffest; empfiehl mich der jungen Mutter und allen Wittes und Mengels von diesseits und jenseits der Oder." 8 Als Sechzehnjährige riß dieses Patenkind seiner Tochter den Dichter zwei Tage vor seinem Tod zu bewegender Begeisterung hin. Er spürte vollendete weibliche Natur, aber nicht in Richtung auf den „Evazug", sondern transparent für „etwas Himmlisches". Am 18. 9. 98 schrieb er an seine Frau:
„Fritsch holt eben Martha zu einer Fahrt nach Potsdam ab; Gertrud, noch um wenigstens zwei Fingerbreit gewachsen, als Dame d'honneur. Sie ist eine der entzückendsten Erscheinungen, die ich in meinem ganzen Leben gesehn habe, und könnte in einem Völkermuseum als reiner Typus deutscher Menschenrasse für Geld gezeigt werden. Dagegen verblaßt alles, Jüdinnen nun schon gewiß und auch die romanischen Schönheiten. Desgleichen die Engländerinnen, die — und wenn sie noch so schön sind — reine Kunstprodukte sind, zurechtgemacht. Hier alles Natur, Menschheitsblüte. Und dabei nicht mal der Evazug, sondern etwas Himmlisches. Klingt alles lächerlich, ist aber die reine Wahrheit." 9
Eine knappe Woche später, am 24. September, hatte das junge Mädchen die Aufgabe, Emilie Fontane, die an der Beerdigung ihres Mannes nicht teilnahm, das schlimme Alleinsein zu ersparen und zu der alten Dame „gut" zu sein. In ihrem Alter erinnerte sie sich:
„Am Tage der Beerdigung blieb ich allein bei Tante Fontane. Sie war als zu alt und ich als zu jung befunden, um mit auf den Friedhof zu fahren. Ihre Kinder hatten mir gesagt: ,Sei gut zu unserer Mutter.' Es lastete auf meiner Seele, wie ich das tun sollte. Die Aufgabe wurde mir abgenommen. Die alte Frau trat ins Zimmer und sagte: .Mein Kind, er hat auch dich sehr geliebt. Ich will dir seine schönsten Balladen vorlesen.' Und mit fester Stimme las sie die Gedichte, die ihr die liebsten waren — eine mir unvergeßliche Totenfeier ... " 10
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