Heft 
(1990) 49
Seite
400
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Ich forsch' und suche: Was ist dies Was?

Und ich forsche und suche vergebens;

Es ist nicht dies, es ist nicht das,

Es ist die Fülle des Lebens,

Es ist die Entfaltung, hundertfach.

Jener Keime, die in uns liegen.

Jener himmlischen Keime, die in uns wach Nur noch wachsen können und siegen."

Gemeint sind Liebe, Ehre, Wissen, Kunst / 17

Trotz dieses Einstellungswandels blieb Fontane unbeirrt bei seiner Bewunde­rung für die Dimensionen, in denen hier ein Land seine Machtfülle und seine Vermögen entfaltete. Nicht ohne Naivität bejahte er in ihren grandiosen urbanen Erscheinungsformen letzten Endes die Folgen kapitalistischer Pro­duktivkraft-Expansion. Diese Grundeinstellung und das entsprechende Argu­mentationsmuster haben sich im Alter noch verfestigt. Er sah in den großen Städten, London voran, eine kulturelle Errungenschaft ersten Ranges und war geneigt, die ihnen innewohnenden Fragwürdigkeiten mehr als eine Unvoll­kommenheit des einzelnen Gemeinwesens zu betrachten, als sie der Urbanisie­rung überhaupt zue Last zu legen. Urbanisierung spiegelte sich in seinem Denken als ein Fortschrittsprozeß, mit dessen im wesentlichen bürgerlichem Charakter er sich über Jahrzehnte in sonst gewohntem Maße einig zeigte. Obwohl er um die Darstellung einen Bogen machte, war auch bei solchen Überlegungen häufig von Berlin entweder auch die Rede, oder es wurde mitgedacht. Darin traf sich die Interessenlage seiner Adressaten durchaus mit seiner eigenen, denn ihn beschäftigte der historische Ort dieser Stadt, die er gelegentlich einen Parvenü nannte . 68

Was er nach der Reichsgründung öffentlich zum Ausdruck brachte, war ihm schon lange bewußt: daß im SpätmittelalterKurbrandenburg ein bloßes Reichsanhängsel war und die Lehmkatenherrlichkeit unserer Städte in allem, was Reichtum, Macht und Kultur anging, neben dem eigentlichen Deutschland, neben den Reichs- und Hansestädten verschwand" 60 . Über die Idealisierung, die Alexis; in seinem RomanDer Roland von Berlin" an der damaligen Bürgerschaft von Berlin und Cölln vorgenommen hatte, konnte er sich regel­recht ereifern.Ich persönlich habe von dieser Zeit, in all und jeder Beziehung, die allerniedrigste Vorstellung und segne die Stunde, wo der Schloßbau als ,Zwing-Berlin' fertig ward. Es war (. ..) eine rohe, tölpische, allem Geistesleben seitab stehende Bevölkerung und nur von einem noch weiter entfernt als von Geist und Kultur von wirklicher Freiheit ." 70

Kultur und Freiheit, Reichtum und Macht, London und die alten Reichs- und Hansestädte vor dem Hintergrund dieser Muster und Maßstäbe nimmt sich das fragmentarische Mosaikbild der Berliner Geschichte nichts weniger als glanzvoll aus, das Fontanes verstreute Bemerkungen und vereinzelte Zusam­menfassungen hergeben. Natürlich war dem Hugenottenenkel der geistige und gewerbliche Auftrieb geläufig, den die Stadt den Refugies verdankte. Das Ganze behielt in seinen Augen trotzdem den Stempel des durch und durch Kümmerlichen, obwohl er darin unter Friedrich II. einen eigentümlich-neu­artigen Zug hervortreten sah und beides miteinander konstrastierte: die all-