gute Kinder und eine in hundert Stücken respektable und sehr zu lobende Frau" 92 . (Gegen die er anschließend, sonst wäre er nicht Fontane, zu ernüchternden Einwänden überging.) Er war seitdem vollständig in die gute Gesellschaft und, mehr als das, in die privilegierte Nation integriert und teilte ihr Dasein.
Zwischen der Inszenierung, die dieses Dasein in seinen Erzählungen erfuhr, und den Formen, in denen er es erlebte, sind die Entsprechungen augenfällig. Man wird zur Erklärung seines schriftstellerischen Vorgehens deshalb besser zuerst die Wirklichkeit und an zweiter Stelle die Literatur, das heißt, das Beispiel und die Konventionen des sogenannten „Romans der guten Gesellschaft" heranziehen, wie er in England florierte . 99 Fontane wandte offensichtlich nicht zu seinem Nachteil die Maxime, wonach der moderne Roman ein „Widerspiel des Lebens (. ..), das wir führen " 9 ' 1 sein sollte, auch auf die konventionali- sierten äußeren Formen an, in denen es sich abzuspielen pflegte. Der Brief, die Visite, die Einladung zum Diner im engeren oder weiteren Kreise samt den Vorüberlegungen und Nachgesprächen, die Landpartien und Sommeraufenthalte, Wagen- und Eisenbahnfahrten, die das nachgerade stereotype Inventar seiner firzählungen ausmachen, finden sich in seiner Biographie als stehendes Inventar wieder. Es waren die Gelegenheiten, mit denen er aufs engste vertraut war, so daß er schriftstellerisch souverän über sie verfügen konnte.
Diese Bemerkung verliert ihre Trivialität, wenn man bedenkt, auf welche Weise sich für Fontane das Feld, auf dem er authentische Sozialerfahrungen erwerben konnte, zugleich erweitert und beschränkt hatte seit er in die Kreuzzeitungsredaktion eingetreten war und seine berufliche Existenz sich normalisiert hatte. Die bedeutungsvollsten Folgen ergaben sich aus den ausgedehnten Beziehungen zur feudalen, bürokratischen, militärischen und intellektuellen Oberschicht, die er jetzt anbahnte. Bis dahin verkehrte er, was diese Schicht betraf, im wesentlichen mit einzelnen, die gleichfalls künstlerische Interessen verfolgten oder seine Vorgesetzten waren, manchmal beides. Der Zugang zu den Kreisen, aus denen sie herkamen, öffnete sich erst für den Mitarbeiter des hochkonservativen Parteiblattes und namentlich für den Feuilletonschreiber, der in den Palais, den Herrensitzen und Pfarrhäusern das Material seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" recherchierte. Damit war jedoch auch der überwiegend sachliche und förmliche Charakter dieser Beziehungen vorgegeben; je mehr Fontane sich dem freien Schriftsteller näherte, desto mehr trat das in den Vordergrund. Es gab wenige Ausnahmen, wie die Familie von Wangenheim und die alte Mathilde von Rohr, mit denen ihn eine gleich vertraute und respektvolle Freundschaft verband. Aber nachdem er sich zurechtgefunden und den Reiz des anderen Milieus verarbeitet hatte, dürfte im allgemeinen gelten, was er in einem der ungenierten Berichte niederlegte, die er dem Fräulein von Rohr von Zeit zu Zeit zukommen ließ. Er hatte einige Tage bei Hofprediger Windel in Potsdam zugebracht.
„An einem Abend (.. .) waren wir bei Graf Egloffsteins, wo furchtbar viel Gräflichkeit und Christlichkeit versammelt war. Es ging noch ganz leidlich ab, und eine alte Gräfin Dohna, ferner eine Frau v. Burgsdorff gefielen mir ganz gut, trotz alledem mache ich dergleichen höchst ungern mit. Es ist eine Zeitvergeudung. Wie's in solchem Zirkel überhaupt aussieht, das weiß ich, und
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