M F E.
L s "
>^1
M77MNMM
MMM
MM
.«M
MWM
SM
I M
,//
PWS
MM
SWM
M,«
MM»I
M»
-'S
MW
W2LL--
Ein deutsches Fimitiendtiltt mit Illustrutiunen.
Erscheint wöchentlich und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 2 Mark zu beziehen.
Kann im Wege des Buchhandels auch in Heften bezogen werden.
XIV. AieiMklmi mn 3. ikvcmbkr 1877. Fer Jahrgang liüfft vom Utaber 1877 bis dahin 1878. 18?8. 5.
Unser Kraf.
Eine Erzählung von Theodor Hermann Pantenrus.
(Fortsi-tznug.)
Nachdruck verboten. Ges. v. 11./VI. 70 .
VI.
Tie Morgensvnne ist die größte Feindin der Leidenschaft. Wie ihre Hellen warmen Strahlen den Grafen vor zwei Tagen beruhigt hatten, so ließen sie heute auch die Gräfin ihre Lage in einem ruhigeren Lichte betrachten. Sie hatte nach dem Kaffee ihr Lieblingsplätzchen ausgesucht, einen kleinen freien Platz mitten zwischen den Blumenbeeten des Gartens, auf dem ein Tischchen und zwei Stühle standen, und nähte fleißig an einer Stickerei. Der Morgen war köstlich, die Sonne schien hell und warm, die Blumen dufteten, rings um sie her war alles offen und frei, wie sie es liebte. Schmetterlinge gaukelten von Beet zu Beet, im Schatten der Hecken perlten noch Thautropfen und vieltausendstimmiger Vogelgesang erfüllte Park und Garten.
Die Gräfin hatte Gespenster gesehen, ohne Zweifel. Ein Grund zu ernstlicher Besorgniß lag durchaus nicht vor. Die neue Gouvernante war ihr unsympathisch — nun, das sind Gouvernanten oft. Das junge Mädchen war mitunter etwas vorlaut, man konnte ihr das abgewöhnen. Das Schlimmste war, daß die Gräfin sich gestern eine Blöße gegeben hatte, allein sie konnte das künftig vermeiden. Die Fremde durfte jedenfalls nicht zwischen sie und ihren Mann treten. Sie gefiel Georg — wohlan, sie mußte geschont werden. Er war ja unsäglich gutmüthig, weich und mitleidig — wenn er ein aus dem Nest gefallenes Vöglein fand, traten ihm Thränen in die Augen — es war nur natürlich, daß er für die Verletzte Partei ergriffen hatte, zumal die Verletzte halb und halb eine Waise und zumal sie arm war. Die Zurückweisung war derb ausgefallen, sehr derb, aber Georg war nach weicher Menschen Art heftig und aufbrausend. War die Gouvernante nur tüchtig als solche, so ließ sich schon mit der Zeit ein erträgliches Verhältnis; Herstellen. Aber war sie eine tüchtige Gouvernante? Das, was sie gestern während der Debatte vorgebracht hatte, war so unreif, so unklar gewesen.
Die Gräfin warf einen Blick auf ihre Uhr und erhob sich.
UV. Jahrgang. S. L
Sie ging gemessenen Schrittes ins Haus und begab sich ins Schulzimmer.
„Sie haben wohl nichts dagegen, Fräulein Heinersdorf," sagte sie eintretend, „daß ich mir erlaube, Ihrem Unterrichte für ein Stündchen beizuwohnen. Ich muß mich doch überzeugen, ob meine kleinen Wildfänge Ihnen nicht allzu viel zu schaffen machen."
Alice war beim Eintritt der Gräfin über und über roth geworden. „Sie sind sehr freundlich, gnädige Frau," stammelte sie verwirrt.
Die Gräfin rückte sich einen Stuhl aus Fenster und setzte sich so, daß sie ihr Gesicht Alice zuwendete, sah sie aber nicht an, sondern war eifrig mit ihrer Stickerei beschäftigt.
„Wünschen Sie vielleicht, daß ich ein kleines Examen anstelle?" fragte Alice.
„O bitte, durchaus nicht. Lassen Sie sich durch mich in keiner Weise stören. Jgnoriren Sie meine Gegenwart vollständig."
Die kleinen Mädchen sahen erst Fräulein Heinersdorf und daun einander au und lachten — halb verlegen und halb erfreut, jedenfalls aber zerstreut. Auch Alice war zerstreut. „Sie kommt, um zu finden, daß ich eine schlechte Lehrerin sei," dachte sie.
Die Voraussetzung eines fesselnden Unterrichts ist ein gewisses magnetisches Fluidum, das Lehrer und Schüler verbindet, das aber nicht latent wird, wenn der Lehrer nicht bei der Sache ist. Letzteres war aber jetzt eben der Fall. Alice er- theilte eine Rechnenstunde, aber sie war, so viel Mühe sie sich auch gab, zerstreut. Sie dachte, während sie ihren Schülerinnen das Dividiren mit benannten Zahlen beizubringen versuchte, darüber nach, ob sie die Dame am Fenster mit den schön geschwungenen Augenbrauen, den langen seidenen Wimpern und den griechischen Gesichtszügen wohl je lieb gewinnen könnte, und verwickelte sich darüber so in die Ballen, Rieß, Buch und Bogen