Fontane überliefert uns von einem anderen Lehrer, dafj er ihn mit seinem Unterricht zuerst anregte, durch die Mark Brandenburg zu wandern. Der Deutschlehrer Philipp Wackernagel (1800—1877) hatte einen „Deutschen Aufsatz nach selbstgewähltem Thema" aufgegeben. Dazu erwanderte und schrieb aus eigener Anschauung Fontane über „Das Schlachtfeld von Grofj-Beeren". Nach acht Tagen erhielt er den Aufsatz zurück "und wer beschrieb mein Entzücken, als ich, der ich bis dahin über ein ,vidi W.' nie hinausgekommen war. jetzt zum ersten und leider auch zum letzten Mal las .Recht gut. W." 23 Der von Fontane hochverehrte Wackernagel war nach wechselvollem beruflichem Schicksal 1829 als promovierter Mineraloge an der Gewerbeschule angestellt worden. Er unterrichtete zu Fontanes Zeit überwiegend im Fach Deutsch, später aber auch in Chemie, Mineralogie, Geometrie und „Arbeit im Labor" 2 '* Zehn Jahre war er an der Gewerbeschule tätig und entwickelte sich in dieser Zeit zu einem der bedeutendsten Mitbegründer und führenden Theoretiker des Deutsch- und Literaturunterrichts der bürgerlichen Schule im deutschen Vormärz. 25 1832 hatte Wackernagel sein erstes Lehrbuch herausgebracht mit der „Auswahl deutscher Gedichte nach den nationalen metrischen Formen für höhere Schulen" 20 . In diese Sammlung hat Wackernagel als erster Lesebuchautor Gedichte Heinrich Heines aufgenommen, darüber hinaus solcher Dichter wie Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Klopstock, Hölderlin, Novalis, Chamisso u. a. m. Es bildete auch die Grundlagen seines Deutschunterrichts zu Fontanes Zeit, aber nicht zur inhaltlichen Auseinandersetzung sondern als Vorlage für Leseübungen der Schüler. Diese waren der - Schwerpunkt seines Unterrichts in der deutschen Muttersprache für Schüler von 8 bis 14 Jahren, da er nur eine intuitive Erkenntnisgewinnung bei Schülern in der Pubertät für möglich hielt. Diese Auffassungen begründete er im vierten Teil seines „Deutschen Lesebuchs" wie folgt: „Der Zeitpunkt, mit welchem die Befähigung des Knaben zu geistiger Produktion eintritt, fällt in die Periode seiner Entwicklung zur Mannbarkeit. Die geistige Pubertät bindet sich an die leibliche .. . Freigeistige Produktionen vor dieser Zeit zu erzwingen, wäre dann gerade so sündhaft, als einen Knaben durch unnatürlichen Reiz den leiblichen Geschlechts- trieb erregen, der nach Gottes willen noch schlummern soll." 2 ' So wie die anderen Unterrichtsfächer, war auch der Unterricht in der deutschen Sprache „auf die Gewerbe" ausgerichtet. Deshalb gehörte für Wackernagel das Auswendiglernen zu den häufig angewandten Methoden, damit die Schüler ihre Muttersprache noch sicherer beherrschen sollten, einem Prinzip, dem noch der alte Fontane wenig Verständnis entgegenbrachte. Klöden schätzte Wackernagel als gewissenhaft, pünktlich und „vorbildlich bei der Erledigung seiner Ordi- naritätsgeschäfte" ein, aber auch er bemängelte die Faßlichkeit seines Unterrichts und die zu strengen Anforderungen an die Schüler. 28 Einen menschlich näheren Kontakt fand der Schüler Fontane bei den botanischen Exkursionen zu dem Oberlehrer Ruthe. Johann Friedrich Ruthe (1788—1859) war ebenfalls seit 1829 als „dritter ordentlicher Lehrer" an der Gewerbeschule. Vorher war er als Lehrer für Naturgeschichte an der Plamann- schen Anstalt und als Oberlehrer am Köllnischen Realgymnasium tätig. 1827 hatte er die „Flora der Mark Brandenburg und der Niederlausitz" als „Versuch einer Naturgeschichte der Mark Brandenburg und der Niederlausitz" veröffentlicht und damit einen guten Einblick in seine Lehrmethoden gegeben.
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