Als Botaniker und Insektenforscher versuchte er die Vermittlung seiner wissenschaftlichen Kenntnisse im Unterricht an die Schüler mit sittlicher Erziehung zu verbinden, einem Prinzip, hinter das der „alte Klöden" nach Meinung Fontanes „ein großes Fragezeichen machte“ 29 , das aber Fontane sehr beeindruckte. Ruthe sollte ein Jahr vor seiner Pensionierung seine Lebenserinnerungen herausgeben, die aber nicht mehr seine Zeit als Lehrer an der Berliner Gewerbeschule behandeln.
In „Arithmetik" und „Kopfrechnen" wurde Fontane von dem weithin bekannten Mathematiker Jakob Steiner (1796—1863) unterrichtet, der sich — ähnlich wie Wackernagel und Klöden aus armseligen Verhältnissen kommend — zu einem bedeutenden Wissenschaftler entwickelte. Steiner hatte 1825, von Wilhelm von Humboldt befürwortet, eine Stelle als „Hülfslehrer" an der Gewerbeschule erhalten. Zu Fontanes Schulzeit veröffentlichte er sein wissenschaftliches Hauptwerk, die „Systematische Entwicklung der Abhängigkeit geometrischer Gestalten voneinander" und seine „Geometrischen Konstruktionen, ausgeführt mittels der geraden Linie und eines festen Kreises". Im gleichen Jahr war er zum Professor ernannt worden. So bedeutend er als Gelehrter war, so wenig erfreulich war seine Lehrertätigkeit. Seit 1831 lag er im ständigen Kampf mit Klöden. Er war anonym beschuldigt worden, grobe Schimpfwörter in der Klasse zu gebrauchen, den Lehrplan nicht einzuhalten, zu viele Ferienaufgaben aufzugeben u. a. m. 30 So klagte Steiner dem Kuratorium der Gewerbeschule: „daß ihm sein .. . Lehramt bei der Gewerbeschule ... so wenig Muße und Stimmung zu den wissenschaftlichen Forschungen ließ, so daß ich nur einen geringen Teil derselben dem Publikum vorzulegen im Stande war; auch waren die Gegenstände des Unterrichts selbst, ihrer notwendigen Einschränkung wegen, meinen Forschungen wenig förderlich" 31 . Steiner hatte sich beim Kultusministerium um eine außerordentliche Professur für Mathematik an der philosophischen Fakultät der Berliner Universität beworden, die er 1835 auch antrat und in der er sich „um die synthetische Geometrie verdient“ 32 machte. Und Fontane auf Anfrage von Prof. Lange am 31. 1. 1898 über seinen Lehrer Steiner: „Ob ich mich Steiners erinnere? Er steht in aller Deutlichkeit vor mir, als hätt- ich ihn gestern gesehen, auf und ab schreitend auf dem schmalen Raum zwischen Katheder und erster Bank (die nicht meine Bank war) und dabei Rechenaufgaben diktierend. . . Steiner war kräftig und gedrungen, und aus dem ein wenig fuchsartigen Kopf leuchteten ein paar kleine, listig freundliche Augen, freundlich, aber so, daß man doch zugleich deutlich fühlte, mit dem ist unter Umständen schlecht Kirschen pflücken. F.s war der Ausdruck von Güte, Leidenschaft und Energie. Was sich mir aber am tiefsten eingeprägt hat, ist das, daß sich in seinem ganzen Wesen eine gewisse Resignation aussprach, eine leichte Schwermut darüber, sich mit einem, an ihm gemessen, so minderwertigem Material abquälen zu müssen. Vielleicht waren einige Talente unter uns, aber was wollte das sagen! Aufs Ganze hin angesehen, stand ein Aristoteles vor ABC-Schützen." 33
Den Chemieunterricht bei dem bekannten Chemiker Friedrich Wöhler konnte Fontane nicht mehr erleben, da Wöhler schon 1832 nach Kassel gegangen war. Er hatte den Auftrag erhalten, die neugegründete Gewerbeschule aufzubauen und dort in Chemie und technischer Chemie zu unterrichten.
Wie Fontanes spätere Apothekerzeugnisse zeigen, hatte er neben dem Botanik-
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