Heft 
(1878) 09
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es sind kann: irgendwo zwei Nachbarvölker so ganz anders geartet, als der Pole und der Deutsche. Jener ist äußerlich voll Wärme, dabei aber nach Art sinnlicher und leidenschaftlicher Menschen innerlich kalt, dieser erscheint bei flüchtiger Bekanntschaft kalt und theilnahmlos, wäh­rend er voll warmen Gemüths ist. Von allen Germanen sind wir dem Polen die fremdartigsten, und wiederum von allen Slaven ist uns der Pöle der am wenigsten sympathische. Trotzdem wird jeder Edel­geartete nicht ohne Theilnahme dieser Nation gedenken, die einst so mächtig, nun aus der Reihe der Staaten gestrichen ist und nur noch als Volk ein wenig erfreuliches Dasein führt. Und doch werden wir selbst in diesem Gefühl immer wieder irre gemacht, durch die uns so fremdartige Art, in der die Polen sich wieder aufzuschwingen suchen.

Sie kennen eigentlich keine andere Kampfweise als den Appell an die rohe Gewalt. Was nicht mit dem Säbel in der Faust errungen werden kann, ist für sie unerreichbar.

Wollen wir nun die Geschicke und die Eigenart der modernen Polen verstehen, so müssen wir im Geiste Einkehr halten in der unter­gehenden Republik, denn von dort her stammen noch alle Impulse, alle Ideen, welche den Emigranten sowohl wie den ansässigen Polen be­herrschen.

In diese Zeit führt uns das obengenannte treffliche Buch des Herrn von Brüggen. Herr von Brüggen ist schon durch seine persönlichen Verhältnisse ganz besonders befähigt, der Aufgabe, die er sich gestellt hat, gerecht zu werden. Er ist einmal selbst in einem ehemals polni­schen Landestheile besitzlich; er hat ferner früher als Archivar der livländischen Ritterschaft Gelegenheit gehabt, sich auch aus weniger zu­gänglichen Quellen ein Bild von dem Wesen der Adelsrepublik zu entwerfen; er ist endlich seit Jahr und Tag Journalist, und führt als solcher eine gewandtere Feder, als sie sonst wohl dem Gelehrten zur Verfügung zu stehen Pflegt. Ich erwähne diese persönlichen Verhält­nisse, weil sie mir in diesem Fall von großer Bedeutung zu sein scheinen. Wer nämlich die Schlachta (den Adel) der Republik Polen wahr und zutreffend schildern will, der muß selbst unter ihr gelebt haben; denn diese Menschenklasse kann schlechterdings nur verstanden werden, wenn man sie gesehen hat. Aber nicht nur die gesellschaft­lichen, nein auch die wirthschaftlichen Verhältnisse hatten sich bis 1863 in der sarmatischen Ebene, namentlich aber in Lithanen, erstaunlich wenig verändert, trotz Eisenbahnen und russischer Reaktion auf die polnischen Revolutionen. Das Gut, das Herr von Brüggen in seinem Buche schildert, habe ich selbst ein halbes Dutzend Mal gesehen, d. h. die Güter, bei deren Herren ich als Jüngling mitunter während der Ferien als Gast eines deutschen Gutsbesitzers Besuche machte, sahen demselben eben so ähnlich, wie ein Ei dem andern.

Aber auch die Menschen waren so ziemlich dieselben: leichtlebig, leichtsinnig, ohne jede Ansdauer, streitlustig, aber gesellschaftlich überaus liebenswürdig. In Haus und Hof eine wunderliche Mischung von Kultur und Barbarei, in der Sitte Adel und Roheit nicht minder seltsam gemischt.

Herr von Brüggen entwirft uns ein ungemein lebhaftes, farben­prächtiges Bild von dem Polen des Stanislaw August. Nachdem er uns mit Land und Leuten und mit den staatlichen und ökonomischen Verhältnissen der letzteren bekannt gemacht hat, führt er uns an der Hand seiner Gewährsmänner in das Haus des Schlachtiz und an den Hof des Magnaten. Bon letzteren erhalten wir eine Reihe trefflicher Porträts, welche die Garantie der Aehnlichkeit in sich selbst tragen. Wir lernen sodann den König und die Intelligenz des Landes kennen, um uns darauf in den Taumel gesellschaftlicher Freuden zu versenken, die den Theilnehmern weder Zeit noch Lust ließen, sich mit der Er­füllung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten zu beschäftigen. Die beiden letzten Kapitel zeigen uns den letzten Akt der Tragödie, deren Noth- wendigkeit wir aus den vorhergehenden begreifen lernten.

Herr von Brüggen schildert aber nicht nur er rüsonnirt auch. Ich mcinestheils kann nuch den Resultaten, zu denen er dabei gelangt,

nur anschließen. Mehr als das ich möchte noch weiter gehen und sagen, daß Deutschland die Bildung eines polnischen Staates nie zu­lassen dürfte. Nie, auch dann nicht, wenn Posen, Schlesien und West­preußen so germanisirt wären, daß dort kein polnisches Wort mehr gehört würde. Auch dann noch wäre ein polnischer Staat eine stete Gefahr für die Weichselmündnng und damit für den ganzen preußischen Osten, denn die Polen müßten nach dem Meercsgestade trachten, es wäre das eine Lebensfrage für sie.

Das fesselnde Buch, das ebenso unterhaltend als belehrend ist, sei unfern Lesern bestens empfohlen. Th. H. P.

Abseits vom Wege. Gedichte eines Laien. Mit neun Illustrationen von Paul Th um a nn. Berlin, Verlag von Alex. Dnncker. Groß Quarto. Mit Goldschnitt reich gebunden: 10 Mark.

Ein elegantes Buch, das keinem Salontisch Unehre machen wird. Papier, Druck, Einband durchaus musterhaft die Zeichnungen würdig des Meisters, der sie entworfen, und durch Lichtdruck trefflich repro- duzirt. Die Genrebilder Paul Thumanns sind so anmuthig und tief empfunden, daß sie wie Gedichte auf das Gemüth des Beschauers wirken. Auch hier fesseln sie uns vor allem und sprechen meist für sich selbst. Ja, zuweilen enttäuscht das Gedicht, dem sie beigegeben sind, und erweist sich weniger poetisch als seine Illustration Nun, der anonyme Dichtersin?) hat sich auf dem Titel einenLaien" genannt, worunter er wohl einen Dilettanten versteht; darum wollen wir seine Versuche nicht zu strenge kritisiren, und den flüchtigen Blicken des Salons werden sie gewiß gefallen. Es ist auch manch ansprechendes Lied darunter, wie z. B. das von uns gewählte, das sich dem reizen­den Bildchen freundlich anschmiegt. Im übrigen wollen wir dem Urtheil der Leserinnen nicht vorgreifen, die ja nicht unterlassen mögen das prächtige Buch sich näher anzusehen. R. K.

Briefkasten.

Anonymus in Smyrna. Sie haben bergessen, Ihren Brief zu unterzeichnen, wir kennen daher Ihre Adresse nicht. Herr Dr. F. ist ebenfalls nicht zu ermitteln. Abonnentin in Reiche,ibach. Der Geschmack ist eben verschieden. Eh. H. in Berlin; M. E. in A. Wir können Ihnen leider nur den Rath geben, wenn irgend möglich, auf einem anderen Felde thätig zu sein. Auf diesem ist die Konkurrenz überaus groß. M. M. in Leipzig. Sehen Sie den vorigen Briefkasten ein. W. 9i. in Hannover und W. in M. Besten Dank, aber lver jedem wohlgemeinten Rath folgen wollte, dem würce es gehen wie dem Bauer und dem Sohne im Märchen. A. 9k. in Torgan. Liegt uns zu fern. A. B. in D. Nicht verwendbar. B. Naekau in 2. diicht verwendbar. P. Sch. in G. Es war keine Porträtähnlichkeit ange- strsbt. L. v. B. in M. Man soll nicht mit Sperren und Spießet! ansziehen, um Mücken zu fangen. L. v. F. in P. Das verlangt eben jeder. Wir haben z. B. im Laufe des Faches 1878 mehr als 1V00 Manuskripte gelesen, da werden Sie sich selbst sagen, daß wir nicht jedes heute einlaufende morgen erledigen können. P. S. in I. Da müssen Sic vor eins andere Schmiede gehen. 9i. W. in P. Wir kön­nen nicht alle an uns gerichteten Fragen im Briefkasten beantworten, die Ranmver- hältnisse unseres Blattes lassen das nicht zu. Fr. v. D. in K. Ja wohl, das ueu- angeküudigte Werk von Rudolf Reichenau:Ans unfern vier Wänden" (Leipzig, Fr. Wilh. Grnnow) umfaßt sämmtliche sechs unter diesem Haupttitel ein­zeln erschienenen Bändchen in einem stattlichen Bande, von denBildern aus den Kinderleben" an bis zu denAlten", die das Werk abschließcn. Bei dieser Ge- sammtansgabe drängt sich noch mehr wie bei den Einzelausgaben die Wahrnehmung auf, daß man nicht zu viel davon auf einmal lesen muß; aber hier und da ein ein­zelner Abschnitt herausgegriffen und frisch genossen, wird seine Wirkung nicht ver­fehlen; durch seinen gemüthlich fröhlichen Ton kann das Buch nach wie vor dazu bei­tragen, manche sorgenvolle Stirn zn glätten und die Freude an dem nur zu oft ver­kannten Glück innerhalb unserer vier Wände zu Wecken und zu nähren.

Inhalt. Unser Graf. (Schluß.) Erzählung von Theodor Hermann Pantenins. Persönliche Erinnerungen aus den Jahren 18481850. VIII. Henry Stanleys Expedition durch Centralafrika 1874 1877. I. Von Richard Andree. Mit Karte und Illustration. Schule und Recht in den Ostseeprovinzen. Von M. Sch. Am Familientische: Bücherschan UV. Mit Jllustrationsprobe von Paul Thnmann.

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Die sehr glückliche Ausführung eines von Lessing hinterlassenen planes. Der Inhalt kann nicht kürzer ausgedrückt werden als durch den ebenfalls von Lessing herrührenden Titel. Ein wahres wendunmuthbüchlein.

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Herausgeber: vr. Uoöcrt Koenig und Theodor Kermann H>antenius in Leipzig. Für die Redaktion verantwortlich: Kilo Klastng in Leipzig. Verlag der Daheim-Expedition (Velhagen ö Klastng) in Leipzig. Druck vou A. H. Ueuvner in Leipzig.