logischen Beobachters mit der in seinem Werk schon früh nachweisbaren Affinität zu verschiedenen Formen des Elementaren im menschlichen wie außermenschlichen Bereich. Das Elementare als Bezugspunkt einer aus dem Geiste der Psychologie erwachsenden Mythologie — das wäre ein später Beleg für Schellings Einsicht, wonach im Mythos das Individuum sich als Gattung bewußt wird / 1 Freilich nicht mehr, um in dieser Rückbindung „seiner ursprüng liehen Einheit mit dem Absoluten " 5 habhaft zu werden; aber doch so, daß in ihr das einzelne Individuum (als empirisches Subjekt) seine Gebundenheit an umgreifende, naturhaft-elementare Mächte erfährt. Daß im Mythos Elementares sich gestaltend verdichtet, gibt ihm eine fortdauernde Kraft über alle verblaßten und wirkungslos gewordenen Mythologien hinaus. Fontane entfaltet diesen naturhaften Grund des Menschen in einer Reihe von Frauengestalten, die durch das Melusine-Motiv miteinander verbunden sind . 0 Im Rückgriff auf einen Stoff- und Figurenkreis aus Volksdichtung und Volkssage vermag Fontane formend und deutend auszulegen, was ihn als psychologisches Phänomen fesselte.
Wenn dem Mythos und seinen Gestalten Zeitlosigkeit zukommt, dann realisieren Fontanes „elbische" Frauengestalten Mythisches. Das Melusinenhafte, das in ihnen zur Erscheinung kommt — in jedesmal anderen, empirisch genau fixierten Gestalten — ist selbst zeitlos als das wiederholt Mögliche, das in verschiedener Verkleidung immer erneut Aktualisierbare. Insofern diese Aktualisierungen zugleich verschiedene Aspekte des Melusinenhaften realisieren, darf sogar von einer Melusinen-Mythologie Fontanes gesprochen werden.
Zwei weitere Vorbedingungen für die Ausbildung mythischer Strukturen in Fontanes Werk seien aber zuvor noch summarisch skizziert. Indem der Psychologen-Blick des Schriftstellers Fontane sich auf bestimmte, in verschiedenen Gestalten wiederkehrende Ausprägungen des Naturhaften im Menschen richtet, gewinnt die Wiederkehr vorgeprägter Muster in wechselnden Situationen Bedeutung für sein Erzählen. Der Sinn für das Melusinenhaft-Weibliche läßt Gleichbleibendes unter verschiedenen historischen Bedingungen wiedererkennen. Daraus leitet sich eine zweite These für das Entstehen mythischer Strukturen in Fontanes Werk ab; es ist seine Neigung zu verschiedenen Formen der Wiederholung, der Wiederkehr von Erzählmustern und -Situationen auch in realistisch motivierten Gesellschaftsromanen. Die Ehe als gesellschaftliche Institution, in der Spontaneität und Konventionalität aufeinandertreffen; das Verlangen des einzelnen nach individueller Glückserfüllung, das sich im Gegensatz findet zu einer zwar problematischen, aber immer noch Geltung beanspruchenden Sitte; das Recht des Herzens wie der Anspruch neuer gesellschaftlicher Kräfte bei gleichzeitiger Fortdauer überlieferter Formen und Institutionen des gesellschaftlichen und politischen Lebens; all das erzeugt in Fontanes Romanen immer wiederkehrende Figurenkonstellationen, die diese durchaus historisch motivierte oder auf bestimmte zeitgenössische Zustände zielende Grundspannung reflektieren, — aber doch so, daß sie eher auf ein zuständlich Bleibendes verweisen als auf den verändernden Eintritt eines Neuen.
Daß es dazu kommen kann, hängt mit Fontanes spezifischem Geschichtsverständnis zusammen. Damit ist ein Moment genannt, um das die zweite These
427