Heft 
(1878) 11
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einzustimmen, der enttäuscht ausrief:Eine unpoetische Wehmuth erfüllte mich, daß alles dort fo anders, so ganz anders war, als meine Phantasie, nach der unvergleichlichen Schilderung unseres Dichters, es mir vorgemalt hatte."

Mit unermüdlichem Fleiß, gründlichster Gewissenhaftigkeit und einem sichern, auf die genaueste Orts- und Sachkenntnis; gegründeten Nrtheil hat Lucius die ganzen, ans das Sessenhcimer Idyll bezüglichen Akten nochmals revidirt. Kritisch beleuchtet er zunächst die umfang­reicheFriederiken-Literatur" von NaeckesWallfahrt nach Sesen- heim" bis auf das treffliche Werk von Hirzel und Bernays:Der snnge Goethe", in welchem die für Friederiken gedichteten Lieder wie zu einem Kranze anmuthig verschlungen und die dahin gehö­rigen Briefe lehrreich znsammenge- stellt sind. Dann geht er den ganzen so wichtigen Abschnitt in Goethes Leben an der Hand urkundlicher Thatsachen genau durch und führt so des Dichtersanmuthvolle Er­zählung aus das Maß geschichtlicher Wahrheit" zurück, aber er thut es

uns bekannten idealen Gestalt. Gereinigt ist es auch durch Pfarrer Lucius unwiderlegliche Nachweise von allem Makel, den noch neuer­dings die böswillige Verleumdung

Das Scssenliciiiier Pfarrhaus zu Goethes Zeit (1770).

eben so taktvoll wie gewissenhaft, ganz nach des Dichters eigener Vor­schrift:Nichts verändert und nichts verwitzelt,

Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt."

Indem er so das

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Legendenhafte von dem geschichtlich Erwiese­nen scheidet, wird frei­lich aus der lieblichen Idylle eine ernste tra­gisch verlaufende Ge­schichte: Goethe selbst hat ja seine Schuld gegen die Geliebte nie bemäntelt noch verkleinert, sondern sie offen cingestanden.

Was er seit seinem Scheiden ans Sessen- heim, das Friederiken in eine lebensgefähr­liche Krankheit stürzte, gefühlt, wie er, von Gewissensbissen gepei­nigt, friedlos umher geirrt war, das spie­gelt sich imClavigo", auch zum Theil im Fairst" wider; Marie Beaumarchais insbe­sondere ist unzweifel­haft auf Friederike zn- rückzuführen.Alles, was Goethe aus eige­nen Borwürfen sich Kirche von ^essenhcim.

sagen mußte Friederiken gegenüber," urtheilt Hermann Grimm, finden wir in Clavigos Charakter wieder, während die heroische Milde Mariens, in einer zer­brechlichen irdischen Erscheinung, so schön auch dem entspricht, was Goethe über Friederikens Beneh­men im Jahre 1779 an Frau von Stein schreibt." Am Schlüsse des Berichtes über diesen denkwürdigen Besuch ruft der Dichter ans:Jetzt kann ich wieder mit Zufriedenheit an das Eckchen der Welt hindenken und in Frieden mit den Geistern dieser Ausgesöhnten in mir leben."

Lucius bemerkt dazu:Versöhnend wirkt auch noch heute die innige ruhige Schilderung dieses letzten Zu­sammentreffens, das zwischen Goethe und Friederike stattgefunden." Wer wollte dem nicht gerne beistimmen?

So steht denn Friederikens bis­her schwankendes Charakterbild jetzt in festen Zügen vor uns, und es ist wahrlich nicht unebenbürtig der ansDichtung und Wahrheit"

mehrerer klerikaler Zeitungen der protestantischen Pfarrerstochter an- hängen wollten. Und schließlich wird es vollendet durch eine Schilderung des ferneren Schicksals Friederikens, die nnvermählt blieb, seit 1801 im Hause ihres Schwagers, des Pfar­rers Marx, zuerst in Diersburg, dann zu Meißenheim bei Lahr still und zurückgezogen im rastlosen auf­opfernden Dienst der Bedürftigen und Nothleidenden lebte, und am N. April 181 :;, von Reich und Arm tief betrauert, starb.

Die äußere Erscheinung des Lucinsschen Buches der geschmack­voll eingefaßte Satz, das dem Auge wohlthuende Papier, die artistischen Beilagen macht der alten Bnch- druckerstadt Straßburg, ans der schon im XV. Jahrhunderte zwei der älte­sten Bibeldrncke hervorgingen, alle Ehre. Interessant ist es auch, daß aus derselben Offizin, die es her- gestellt, und zwar von dem Urgroß­vater des jetzigen Besitzers (ex ot'- ileiim I-lsnriei Ilsitmi) gedruckt, einst die Thesen hervorgingen, über welche Goethe am 6. August 1771 behufs seiner Promotion zum

Licentiatcn (nicht zum Doktor) dispntirte.

Scssenhciin von Friederikens Ruhe ans.

R. K.

Herr E. A. See­mann ersucht uns, die Aenßcrung un­seres Rezensenten in dem Artikel über das von ihm heransgege- benePrämienwerk des Albertvereins in Nr. 8:es habe die Berlagshandlung sich vielfach mit dem be­gnügen müssen, was ihr uni des wohlthä- ligen Zweckes willen an Schnitten und Cli- chos dargeliehen wur­de," durch folgende Mittheilung zu be­richtigen:Geschenkt in dem Sinne, daß keinerlei Gegenlei­stung gewährt wäre, ist nicht cincs der verwandten Galvanos, selbst für das Hcr- leihcn von Original­stöcken habe ich zum Theil sehr hohe Ber-

^ , gütnngen geleistet."

>)ollmrderbriim nn Pfarrgarten von ^e^enhenn. ^ '

Uricfkastrn.

Auf mehrfache Anfrage» nach einer Bezugsquelle der in Nr. 4 empfohlenen Lnft- l g-V erfch lnß-Cy lind er weilen wir hier zwei Adressen mit: R. Köpke in

Stralsund (Ossenreiherstr.) nnd Emil Reich»ow in Berlin (Gr. Friedrichs­straße 56). W. T. in L. b. P. Ein­gehende Auskunft über denVerbesscr- t'en Evangelischen Kalender" fin­den Sie im Daheimkalendcr 1873 S. XXXVIII ff. G. v. T. in L. Zwei vorzügliche Bildnisse unseres Kaisers sind von Adolf Braun in Dörnach nach dem Leben das eine im Herbst 1876 in Civil, oas andere im Frühjabr 1877 in Uni­form photographisch ausgenommen, und zeichnen sich gleicherweise durch Treue und Schönheit aus. Jede der beiden Aufnahmen ist in 4 Größen zu 4 verschiedenen Preisen in allen Buch- nnd Kunsthandlungen zu ha­ben. Fr. v. A. in K. in Pr. A n g n st Sturm ist der Sohn nnsers alten Mit­arbeiters Julius Sturm. Seine Ge­dichte, von denen wir einige (XIII, S. 544, 761) veröffentlichten, sind so eben in einer zierlichenDuodezansgabs bei C. Bertels­mann in Gütersloh erschienen. Der im vorigen Jahrgangs im Daheim erschienene Stufsnjahre eines Glücklichen" kam

Roman von Louise v. Frau gois: im Anfang November als Buch in zwei Bänden heraus und hat eine so beifällige Auf nähme gefunden, daß bereits eine zweite Auslage nothwendig geworden ist.

Inhalt. Der Bismarck von Hinterhausen. (Schluß.) Novellette von Zoö von Reich. Der erste Verlust. Originalzeichnung von W. Simmler. Persönliche Erinnernngen aus den Jahren 18481850. X!. XII. Tie Jubiläumssänger in Deutschland. Von Rudolf

Kögel. Franz Lenbach. Bon Karl Stieler. Mit Porträt. Am F amili entisch e : Bücherschau. llVIl. Mit 4 Illustrationen von R. Aßmn s.

Herausgeber: vr. Uobert Koenig nnd Theodor Kermann Aantenius in Leipzig. Für die Redaktion verantwortlich: Htto Klastng in Leipzig.

Verlag der Daheim - K.«pedition (Kekhagen H Kkastng) in Leipzig. Druck von ZL. H. Teukner in Leipzig.