Stand Hilde dem Element des Feuers nahe und gehörte Ocear.e ganz dem Bereich des Wassers an, so hat Fontane in der Gestalt des dämonischen Hoffräuleins Ebba von Rosenberg beides vereinigt: der Schlittschuhlauf bis an den Rand des offenen Meeres, zu dem sie den Grafen Holk verlockt, wie der Schloßbrand, der ihre geglückte Verführung Holks gleichsam besiegelt und für diesen alle bestehenden Bindungen zeichenhaft zerstört, bezeichnen in sehr direkter Sinnbildlichkeit die doppelte Nähe dieser Gestalt zum Bereich des Elementaren, zu Feuer und Wasser. Mit Ebba kommt zugleich ein neues Motiv in die Melusinen-Figuration hinein: das geistreich Spielerische einer ganz auf das Wort gestellten Gesellschaftsdame, deren Fähigkeit zur Geselligkeit freilich ganz durch die Selbstbezogenheit ihrer ebenfalls auf Huldigung und Pikante- rie gestellten Natur aufgesogen wird. (Darin wird Melusine von Barby teilweise, wenn auch nicht vollständig, über sie hinauskommen.) Spiel und Laune als Äußerungsform des Elementaren, — auch das gehört zu Fontanes Entwurf des Melusinenhaft-Weiblichen. Was für Ebba von Rosenberg eine den eigenen Reiz bestätigtende Abwechslung innerhalb der Langeweile höfischen Daseins bedeutete — ein Spiel, dessen Spielcharakter darin besteht, daß es allenfalls wiederholbar, nicht aber in die Wirklichkeit übertragbar sein kann —, das wird von Holk als Konsequenzen fordernder Lebensernst mißverstanden. Indem Ebba ihn lachend abweist und einen reichen englischen Adligen heiratet, geht sie nicht eine sie verwandelnde Bindung ein, sondern bleibt auch darin durchaus ihrer Natur treu. Der Kammerherr Pentz, selbst erfahrener Lebemann — wenn er Versuchungen dieser Art freilich auch schon hinter sich hat —, kommentiert die in Aussicht stehende eheliche Verbindung Ebbas mit Worten, die noch einmal den durch das gesellschaftliche Moment nur verborgenen elementaren Untergrund Ebbas ins helle Licht rücken: „.Übrigens haben sich beide, der Lord und Ebba, nichts vorzuwerfen; er, wie so viele seinesgleichen, soll schon mit vierzehn ein ausgebrannter Krater gewsen sein und heiratet Ebba nur, um sich etwas vorplaudern zu lassen, und von diesem Standpunkt aus angesehen, hat er eine gute Wahl getroffen. Sie wird jeden Tag Dinge sagen und später auch wohl Dinge tun. die Seine Lordschaft frappieren, und vielleicht zündet sie mal die fünfzehn Millionen Tannen an und stellt bei der Gelegenheit sich und den Eheliebsten in die rechte Beleuchtung" (I, 2, 795). Noch deutlicher kann man die Beziehungslosigkeit Ebbas zum Menschlichen, ihre gefährliche und andere gefährdende Nähe zum Elementaren kaum aus- drücken; auch die ironische Brechung dieser Äußerung kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Die zerstörenden Wirkungen einer elbischen Gestalt hängen indessen (auch bei Ebba von Rosenberg) weniger von ddm ab, was sie tut, als davon, was sie durch ihr bloßes Sein bewirkt. Das zeigt auch jene Frauenfigur Fontanes, die diesem Motivkamplex am fernsten zu stehen scheint: Effi Briest. Die „Verwirrung regelrechter Verhältnisse" ist auch ihr Erbteil. Fontane hat einiges getan, die schwebende Leichtigkeit dieser jungen Frau in eine psychologisch glaubwürdige Gestalt umzusetzen, aber er hat ihr innerhalb seiner Melusinen- Mythologie zugleich einen bestimmten Ort angewiesen; er hat sie jenem Element zugeordnet, das der Schwere der Erde am meisten entgegengesetzt ist: dem der Luft. Es gehört ja auch zu der Konzeption dieser melusinenhaft
434