dem Menschlichen fernstehenden und ihm doch zugewandten Gestalten, daß die Erde nicht zu den Elementen gehört, denen sie sich verwandt fühlen. Die Erde ist das Element des Menschen, zu ihr gehören Dauer und Bindung, Mühsal, aber auch Treue — Eigenschaften, die allesamt denjenigen der elbischen Figuren entgegengesetzt sind. Alles, was Effis Charme und Grazie ausmacht, ist auf die schwerelose Leichtigkeit, aber auch die Gefährlichkeit des Fliegen- Könnens bezogen. Diese Neigungen Effis sind ganz erst aus der ,Elementen'- Logik der Fontaneschen Melusinen-Mythologie verständlich.
Fontane hat in Effi aber auch eine Figur entworfen, die selbst das Opfer jener Verwirrungen wird, die sie stiftet. Sie verfällt dem Sog eines Elementes, das sie in den venusartigen Bann einer unerlösten Sexualität verstrickt, — dem, was ihr scheinbar so fernsteht.
In Effi ist, was bei Ebba eher Folge ihrer auf geistreiche Medisance gestellten Sprachfähigkeit ist, ganz Natur geworden: „In allgm, was sie tat, paarte sich Übermut und Grazie" (I, 4, 8); ein „Naturkind" (I, 4, 37), das eigentlich hätte „Kunstreiterin" (I, 4, 8) werden müssen: „Immer am Trapez, immer Tochter der Luft" (ebd.), je gefährlicher, desto besser: „und am liebsten immer in der Furcht, dal? es irgendwo reiften oder brechen und ich niederstürzen könnte. Den Kopf wird es ja nicht gleich kosten" (I, 4, 34). Was Effi im übrigen mit den elbischen Frauengestalten Fontanes verbindet, ist ihre moralische Indifferenz und eine Selbstbezogenheit, die sich als Distanz dem Bereich des Gefühls gegenüber äuftert. Effi spricht sich gegen überschwängliche Zärtlichkeit und Liebe aus, vor allem gegen eine „Musterehe", was ihre schärfer blickende Mutter zu der Feststellung veranlaßt, Effi gehöre nicht zu denen, die so recht eigentlich auf Liebe gestellt seien, wenigstens nicht auf das, was diesen Namen ehrlich verdiene (1, 4, 39). Effi besitzt nicht einmal Hildes Neigung zu'einem „Haus"; gegenüber allen Anschaffungen für ihren neuen Hausstand legt sie eine völlig desinteressierte, indifferente Haltung an den Tag, — es sei denn, daft sie ihren Hang zum Extravaganten und Phantasievollen befriedigen. Was sie an Luxus, an „Glanz und Ehre" anzieht, ist die Faszination durch das „Aparte" und Unbürgerliche; sie selbst nennt es ihren Hang nach „Zerstreuung", die Mutter spricht von Effis „Hang nach Spiel und Abenteuer" (I, 4, 40). Effis Gleichgültigkeit Regeln und Normen der Gesellschaft gegenüber macht die „elbische" Seite ihrer Natur komplett. Sie ist erfüllt von Angst vor Innstetten, vor seinen Prinzipien und Grundsätzen und bekennt, für sich keine Grundsätze zu haben (I, 4, 35). (Später klatscht sie Crampas Beifall, als dieser alle „Gesetzlichkeiten" für „langweilig" erklärt; I, 4, 128). Bei keiner seiner bisherigen weiblichen Romanfiguren, selbst bei Ebba von Rosenberg nicht, hat Fontane aber auch die Nähe seiner Melusinen zu den „Meerfrauen" (IV 157) so vernehmlich angedeutet, wie bei Effi Briest. Auf der (zunächst an der See entlang führenden) Rückfahrt von der Weihnachtsfeier bei Oberförster Ring teilt Effi ihren Schlitten anfänglich mit Sidonie von Grasenabb; sie ist unbefangen genug, die fromme, schon etwas ältliche Jungfer zu fragen, ob sie nicht auch „etwas wie Musik" höre, und erläutert auf Sidonies Frage „Orgel?"; „Nein, nicht Orgel. Da würd' ich denken, es sei das Meer. Aber es ist etwas anderes, ein unendlich feiner Ton, fast wie eine menschliche Stimme . . . ". Das seien Sinnestäuschungen, entscheidet die glaubensstarke Sidonie und erklärt Effi unumwunden für „nervenkrank". Effi revoziert zwar, bekennt zugleich aber
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