auch, wessen Stimmen sie zu hören glaubt: „Ich höre . .. nun gewiß, es ist Torheit, ich weiß, sonst würd' ich mir einbilden, ich hätte die Meerjungfrauen singen hören. ..." (IV 157)
Fontane vertraut auch im weiteren Verlauf des Romangeschehens darauf, daß der Leser seine symbolistische Nomenklatur zu entziffern vermag. Er will den „Schloon", jenes äußerlich etwas kümmerliche, unterirdische Rinnsal, in das Effi mit ihrem Schlitten zu geraten roht, ehe sie den Verführungskünsten Crampas' erliegt, durchaus als „Sog" und „Abgrund" (I, 4, 159) verstanden wissen, in dem man versinken kann, man weiß nicht, wie. Selbstredend bildet der Schloon keine reale Bedrohung Effis, sondern meint den Abgrund ihres Inneren; gleichwohl überträgt Fontane, wie fast stets, so auch diesmal, die ausdrückliche Deutung dieses Zeichens einer seiner Gestalten — Innstettens Traum-Kommentar: „Ich träumte, daß du mit dem Schlitten im Schloon verunglückt seist, und Crampas bemühte sich, dich zu retten; ich muß es so nennen, aber er versank mit dir" (I, 4, 162).
Alles, was der „Kunstfex" (I, 4, 37) Innstetten dagegen aufbringt, ist sein „Angstapparat aus Kalkül" (I, 4, 134), der schließlich, was in Effis Beziehung zu Crampas anfänglich nur Spiel und Laune war, in fürchterlichen Ernst verwandelt. Effi verfällt einer impersonalen, bezuglosen Sexualität, die alles, was einmal Leichtigkeit und Schwerelosigkeit an ihr war, in den lähmenden Bann von Lüge und Willenlosigkeit verwandelt.
Freilich ist das keine ihr völlig frdmde, nur von außen aufgedrungene Welt; ihre lebenslange Sehnsucht nach dem Fliegen-Können signalisiert ja nur ihr geheimes Wissen um jene verborgenen Züge ihres Wesens, die sie an das Elementare auch im Sinne des moralisch Indifferenten binden.
Als Effi, nach der Jütland-Reise mit Innstetten, noch einige Tage im elterlichen Haus Ruhe sucht, gesteht sie sich in einem langen Selbstgespräch, daß sie zwar die Schuld ihrer Verfehlung auf der Seele habe, aber doch nicht eigentlich als eine Last, so wenig wie sie „echte Reue" oder „echte Scham" über das Zurückliegende zu empfinden vermag (I, 4, 219). Nun läßt Fontane sie auch aussprechen, worin ihre Nähe zum Melusinenhaften vor allem liegt: ihr „fehlt [. . .] das richtige Gefühl" (ebd.). Zugleich aber hat er ihr eine Affinität zur Natur mitgegeben, die es ihm ermöglicht, Effis Sterben als Rückkehr in die alle Spannungen ihres Daseins aufhebende Ruhe der Natur zu gestalten. Dabei knüpft er an Effis Selbstgespräch im 24. Kapitel an, beide Situationen sind wie Anhnung und Erfüllung aufeinander bezogen. Effis schmerzliche Einsicht in die Besonderheit ihrer Natur hatte sich damals in Tränen gelöst, und „ein leiser, feiner Ton, wie wenn es regnete, traf von den Platanen her ihr Ohr" (ebd.) Was an dieser Stelle noch im Realen eines erklärbaren Vorgangs verbleibt — „es war nur Nachtluft, die ging" (I, 4, 220) —, gewinnt sinnbildliche Funktion in Effis Sterbeszene, in der nun die reale Motivation getilgt ist zugunsten einer geheimnisvollen Korrespondenz zwischen Effi und der Natur, die sie in ihre Ruhe aufnimmt: „Die Sterne flimmerten, und im Parke regte sich kein Blatt. Aber je länger sie hinaushorchte, je deutlicher hörte sie wieder, daß es wie ein feines Rieseln auf die Platanen niederfiel. Ein Gefühl der Befreiung überkam sie. ,Ruhe, Ruhe'" (I, 4, 294). Diese — von der Kritik bisweilen gerügte — Verklärung Effis, die jeden moralischen Schuldspruch gegenstandslos macht, darf nicht nur als din Akt ausgleichender poetischer Gerechtigkeit