vermag, die Verlegenheit nur eine kleine, aber im gegenwärtigen Augenblicke, wo man in England erwog, ob man nicht thätig bei der Lösung der orientalischen Frage Vorgehen solle, wurden die revoltirenden Kaffern geradezu als „unfreiwillige Verbündete Rußlands" hingestellt. Es liegen indessen bis jetzt keine Anzeichen vor, daß der Ausbruch des russisch-türkischen Krieges den Aufstand der Kaffern beschleunigt oder hervorgerufen habe, wenn es auch möglich ist, daß dieselben Kunde von ihm haben, wie ja unzweifelhaft der Krimkrieg sie mit wilden Hoffnungen auf die Vertreibung der gehaßten Fremdlinge erfüllte. Gleichzeitig ist an drei verschiedenen Stellen der Aufstand der Kaffern ausgebrochen und bedeutende Streitkräfte sind von ihnen ins Feld gestellt worden. Es ist nicht mehr der sogenannte Wurfspeer, die Assagaye, welchen der Europäer zu bewältigen hat, sondern die Flinte, die er selbst an jene verkaufte, wenn es auch alte ausrangirte Feuersteingewehre sind.
Die drei Landstriche, um welche es sich hier handelt, sind folgende: 1. Britisch-Kaffraria in der Umgebung von King-Williams-Town, wo der alte Sandili mit seinen Gaikas sich erhob.
2. Frei-Kaffernland, welches, durch den Kaifluß getrennt, nördlich an das vorige stößt. Hier sind es die Galeka unter ihrem alten „König" Krili, welche viele Tausende von Kriegern ins Feld stellten.
5. Fern von diesen beiden Kriegsschauplätzen weiter im Norden das Sululand, jensert des Tugelaflusses, wo die mächtigen Sulu-Kaffern unter ihrem Fürsten Ketschwayo sich erhoben haben und die blühende Kolonie Natal bedrohten, in welcher schon Schritt und Tritt von ihren früheren Kämpfen Zeugniß ablegt.
Die Ersten, welche losschlugen, waren die Galeka unter Führung des alten Krili. Ausgesprochener Zweck war, neben Raub und Plünderung der Ansiedlungen der Weißen, die Vertreibung der Engländer. Letztere haben allerdings das zwischen dem Kai- und Baschi- Flusse gelegene Galekaland noch nicht förmlich annektirt, doch ist diese Annexion nur eine Frage der Zeit, da Frei-Kafferland vollständig von den britischen Besitzungen eingeschlossen ist. Auch die Kunde von der Annexion der Transvaal-Republick durch die Engländer im verflossenen Jahre hatte aufregend auf die Kaffern gewirkt und der alte Krili wußte recht gut, daß die holländischen Ansiedler dort sich zuletzt nicht mehr der Angriffe der aufständischen Kaffern zu erwehren vermochten. Jeder Vorwand mußte daher den Galekas angenehm sein, um gegen die Engländer losschlagen zu können und diesen Vorwand gaben die Fingoes ab. Diese Fingoes sind ein Mischvolk, aus allen möglichen Eingeborenen zusammengesetzt, zumeist aus befreiten Sklavender Galekas, neben denen sie wohnen und von denen sie schon aus diesem Grunde feindlich betrachtet werden. Mit den Engländern stehen die Fingoes dagegen auf bestem Fuße; sie sind ein fleißiges Volk, treiben Viehzucht und bringen das geerntete Korn auf die englischen Märkte. Ihr zunehmender Reichthum und der dadurch hervorgerufene Stolz erregte die Eifersucht ihrer Nachbarn, der Galekas, die an und für sich faul, nur soviel ernten, als sie gerade zum Lebensunterhalt nothwendig brauchen.
Eine natürliche Folge waren häufige Reibereien zwischen beiden Völkern, den Galekas und Fingoes. Da ereignete eS sich im Juli des verflossenen Jahres, daß in dem kleinen Orte Butterworth, der mitten inne zwischen Fingoes und Galekas liegt, beide Stämme im Rausche aneinander geriethen, wobei auf beiden Seiten Tobte und Verwundete vorkamen. Sofort versammelten sich die Galekas, sielen ins Fingoeland ein, raubten, mordeten und plünderten nach Herzenslust, und als nun der Gouverneur der Kapkolonie, Sir Bartle Frere, für die den Engländern befreundeten Fingoes eintreten und eine Versöhnung zwischen beiden Theilen herbeiführen wollte, wies Krili mit schnöden Worten dessen Abgesandte zurück. Der wilde Barbar wurde durch die Einmischung der Engländer auf's Höchste erbittert, schwur, daß er sie snmmt und sonders vernichten wolle, und führte seine Galekas nun nicht blos gegen dis Fingoes, sondern auch gegen die nächsten Niederlassungen der Europäer. Letztere konnten ihm anfangs nichts gegenüber stellen als eine Anzahl berittener Polizisten und eine Schaar disciplinirter Fingoes, welche über den Kaisluß gegen Krili anrückten. Stolz entwickelte Krili seine Schaaren und als sie, ihren wilden Kriegsruf heulend, geputzt mit weißen Ochsenschwänzen und Straußenfedern, Schilde, Assagaye und Flinten schwingend, heranstürmten, da rissen die Fingoes aus und die Polizisten führten allein den ungleichen Kampf. Cr war bald entschieden. Die Europäer unterlagen und mußten ihre einzige Kanone in den Händen der Kaffern lassen, die durch ihren Sieg ermuthigt nun erst recht raubend und zerstörend durch das Land zogen. Das war im Oktober.
Lange schon hatte Krili gewüthet und war gegen den Kaifluß vorgedrungen, Britisch-Kaffraria bedrohend, als ihm endlich etwa 1000 rasch zusammengeraffte englische Freiwillige mit ein paar Kanonen unter Kommandant Grifsith entgegengesandt wurden. Im kleinen Guerillakrieg, der nichtsdestoweniger viel Blut kostete, gelang es den Engländern, Krili erst über den Baschi- und dann noch weiter über den Umtata-Fluß zurückzutreiben, wobei sie etwa 20,000 Stück Rinder erbeuteten. Krili flüchtete in das Pondoland, von wo er indessen (nach Berichten vom 2. December 1877) wieder hervorbrach, als die Engländer abzogen, und nun auf's neue raubt und plündert.
Die Schilderhebung der Galeka wirkte mächtig auf ihre Stammes- und alten Streitgenossen, die Gaika in Britisch-Kaffraria ein, und in Sandili gährte das alte Kr'iegerblut wieder. Panischer Schrecken entstand in King-Williams- Town, als man dort vernahm, dieser alte Pensionär der britischen Krone versammle seine Krieger, deren Zahl auf 7000 angegeben wurde. Ihnen hatte der englische General Cunynghame nur eine Handvoll Freiwillige entgegen zu stellen. Die bei den Bauern dienenden Kaffernhirten verließen Dienst und Lohn und liefen nach Hause, jeder Farmer bewaffnete sich. Das
bestärkte die Wilden in ihrem Vorhaben und frech geworden, begannen sie zunächst Viehdiebstähle im großen Maßstabe. Die Berliner Missionsstation Bethel, welche bereits 1850 in Flammen aufgegangen war, wurde beraubt und der Missionar Rein, dessen Station Wartburg in Sandilis Gebiet liegt, packte seine Sachen und floh nach King-Williams-Town. Der alte Sandili spielte eine zweideutige Rolle; als er vernahm, Krili sei vor Kommandant Griffith geschlagen, versicherte er die Behörden, daß ihm ein Aufstand fern gelegen habe Es ist aber dem Frieden nicht zu trauen und die Währung ist im Wachsen begriffen, einen Kasfernstamm nach dem andern ergreifend. Was dieses aber heißen will, erkennt man aus einem Vergleiche der numerischen Verhältnisse. Die britischen Besitzungen in Südafrika (Kap- land, Britisch-Kaffraria, Basutoland, die beiden Griqualand, Natal) und frei Käsfernland zählen nämlich nur etwa 250,000 Weiße gegenüber einer Million Farbiger, zu denen als Rückhalt noch die Kaffern rn Transvaal und der Orangerepublik sowie im Sululande kommen.
Die letzteren haben denn auch infolge der Aufstände in Kaffraria begonnen sich zusammenzuschaaren und sind an den Tugelafluß, die Grenzscheide gegen die Kolonie Natal gerückt. Am 2. Januar äußerte sich der britische Kolonialminister Lord Carna- von gegenüber einer Hilfe suchenden Deputation aus Südafrika folgendermaßen: „Das Auftreten des Sulukönigs gibt zu den allerernftesten Sorgen Anlaß. Er gebietet, wie Sie wissen, über eine sehr starke und wohlbewaffnete, sowie vergleichsweise gut disciplinirte Armee und hat in der letzten Zeit Zeichen unzweideutiger Feindseligkeit von sich gegeben. Trotz der Warnung des Sir Theophilus Shepstone (Gouverneur von Natal) hat er auf von England beanspruchtem Boden einen befestigten Kraal erbaut und an ihn gesandte Botschaften zurückgewiesen. Sir Theophilus Shepstone hat dringend um Verstärkungen gebeten, die wir ihm gesandt haben."
Die Geschichte der Amazulu (Sulu-Kasfern) ist seit Beginn dieses Jahrhunderts ein fortdauerndes, nur zeitweise unterbrochenes Kämpfen gegen die Weißen und die Nachbarstämme gewesen und ihre Häuptlinge, deren Namen mit Blut in die Geschichte Südafrikas eingeschrieben sind, haben es verstanden mit organisatorischem !! Talente ihr Volk zusammen zu halten und kriegerisch zu !- discipliniren. JmJahre 1810 erlangte Tschaka bei ihnen die Häuptlings- oder Königswürde; er war ein mächtiger, grausamer und blutdürstiger Mann, der ein regelmäßiges stehendes Heer schuf, dessen Traditionen bis heute fortbestehen. Jedes Regiment erhielt Schilde mit einem eigenen Farbenmuster; statt des langen Wurfspeers führte er die kurze Assagaye ein, die jetzt längst schon durch alte Flinten und theilweise Hinterlader ersetzt ist. Kein Soldat durfte eine Frau nehmen und erst wenn er ausgedient hatte und Veteran geworden, konnte er einen Hausstand begründen. Die Truppen marschirten stets in einer Art von Phalanx mit dicht- geschaartem Centrum und zwei leichten Flügeln. Wer aus dem Kampfe ohne Schild und Assagaye oder mit einer Wunde im Rücken kam, wurde ohne weiteres niedergemacht, eine in die Flucht getriebene Heeresab- theilung wurde entweder decimirt oder bis aus den letzten Mann erschlagen.
Natürlich gerieth Tschaka auch mit den im heutigen Natal angesiedelten Engländern und Holländern in Streit; noch mehr sein Bruder und NachfolgerDingaan, welcher 1828 den Tschaka ermordete. Erst als die Engländer 1845 den Natal-Staat begründeten, wurden innerhalb desselben geordnete Verhältnisse geschaffen und der Tugelafluß zur Nordgrenze gegen das Sululand bestimmt Innerhalb des britischen Gebietes erhielten die Kaffern Land angewiesen oder wurden auf Kronländereien angesiedelt, wo sie Rindvieh, Schafe und Ziegen halten, Mais und Kaffernhirse bauen. Jeder Stamm hat seinen Aeltesten, der innerhalb des Stammes nach alten Ueberlieferungen und Gebräuchen waltet, aber für sein Thun und Lassen der Kolonialregierung verantwortlich ist, welche für die Angelegenheiten der Eingeborenen einen besonderen Beamten angestellt hat. Manches hat sich nun im Verlaufe der Zeit bei den Kaffern unter britischer Regierung geändert; an die Stelle der Karosse, der alten Fellmäntel, sind zur Freude der Engländer wollene Decken, ein guter Absatzartikel, getreten und die Felder werden mit eiferen Hacken aus Birmingham bestellt. Die Kaffern sind „gute Kunden" geworden, und viele haben Gold- und Silbergeld.
Jenseit des Tugelaflusses, im freien Sululande, sind die Verhältnisse, aber immer wenig befriedigend geblieben. Dort folgte auf Dingaan der Häuptling Umpanda, welcher schon beim bloßen Verdacht, daß einer seiner Unterthanen auf britisches Gebiet übertreten wolle, über diesen das Todes- urtheil aussprach. Der jetzt regierende Zulukönig und Nachfolger Umpandas, der seine Schaaren zum Kampfe gegen die verhaßten Fremdlinge aufrief, heißt Ketschwayo.
Die Frage nach der Zukunft dieser Stämme ist eine schwer zu beantwortende. Sie sind zäh und vermehren sich rasch und an ein Aussterben derselben, wie es bei den Schwarzen Australiens z. B. stattsindet, ist nicht zu denken. „Es wäre thöricht zu glauben, schreibt der Missionar Merensky, ein vorzüglicher Kenner Südafrikas, daß Stämme von der natürlichen Begabung der Kaffern, sich willkürlich auf dem Standpunkte, auf dem sie stehen, würden zurückhalten lassen, daß man es ihnen wehren könne, über das, was sie bei den Weißen sehen, nachzudenken und aus ihrem Verkehr mit den Weißen Nutzen für sich zu ziehen." „Wir hoffen deshalb auch, fährt er fort, daß unter ihnen christliche Gemeinwesen entstehen werden, denn wir sehen nicht ein, was uns die Hoffnung trüben oder nehmen könnte, daß diese Völker als solche das Chriftenthum annehmen werden. Ob unter diesen Stäm- j men der alte Christenglaube neue schöne Blüten zeitigen wird, ob sie berufen ! sind, einst Träger einer eigenthümlichen Kultur zu werden, das wissen wir I jetzt freilich nicht."
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Skizze des Kriegsschauplatzes in Siidost-Afrika.