-'Roman Immermanns und demjenigen in Vor dem Sturm am deutlichster zutage treten.
Bis in kleinste sprachliche Details entspricht der Aufbau der Passage in Vor dem Sturm derjenigen im Münchhausen. Bei Immermann liest man:
Aber schon hatten seine starken Arme sie umstrickt und aufgehoben und vor den Altar getragen. Dort ließ er sie nieder, die halb ohnmächtig an seiner Brust lag, und stammelte schluchzend vor Liebesweh und Liebeszorn: „Lisbeth! Liebe! Einzige! Entsetzliche! Feindin! Räuberin! Vergib mir! Willst Du mein sein? Mein ewiges, süßes Du?"
(464 f.)
Die entsprechende Frage Tubals ist weit nüchterner formuliert:
„Nicht wahr, Marie, wir wollen gute Kameraden sein? Das Schicksal hat uns hier zusammengeführt. Ist es nicht, als ob wir einander gehören sollten?"
(324)
Aber auch Tubal „umklammert" Marie (325), so wie Oswalds Arme Lisbeth „umstrickt" halten (464), und auch er kniet schließlich vor dem Altar — doch Tubal „warf sich nieder" (325), Oswald dagegen zieht seine Braut „sanft neben sich auf die Kniee nieder" (465), und ebenso sanft wird nun die Verlobung vollzogen, indem beide „das Gesicht schweigend an das Altartuch" legen (465). Während hier also das Altartuch zum Medium wird, das die Verbindung zwischen Lisbeth und Oswald symbolisch besiegelt, erwägt Marie, ob sie „in der pochenden Angst ihres Herzens das Altartuch erfassen sollte" (325), und sie sieht damit in dem Tuch gerade einen Schutz vor der ihr bedrohlich erscheinenden Nähe Tubals. So erweisen sich alle drei kirchlichen Requisiten — Taufstein, Grabstätte und Altartuch — als Zeichen der Trennung zwischen Marie und Tubal, während sie in Immermanns Roman die Verbindung zwischen Lisbeth und Oswald begleiten und bekräftigen.
Die Art und Weise, in der die beiden Kirchenszenen abgeschlossen werden, unterstreicht noch einmal die Kontraste zwischen beiden Romanepisoden. Als Lisbeth und Oswald vor dem Altar knien, tritt der Diakonus unbemerkt zu ihften, und Immermann schildert ihn, wie er auch einen Engel schildern könnte: Der Diakonus stand zwischen ihnen mit leuchtendem Antlitz und hielt seine Hände segnend auf ihren Scheiteln. Er war zufällig aus der Sakristei noch einmal in die Kirche getreten und hatte mit gerührtem Erstaunen die Verlobung gesehen, die hier abseitig der Hochzeit und im Angesichte Gottes zustande gekommen war. Auch er redete nicht, aber seine Augen sprachen. Er zog den Jüngling und das Mädchen an seine Brust und drückte seine Lieblinge herzlich an sich.
(465) 7 •
Marie und Tubal werden auf gänzlich andere und weit prosaischere Weise aus der allmählich für beide unerträglich werdenden Situation befreit. Kein engelhafter Geistlicher erscheint, sondern der gebrechliche Küster der Hohen- Vietzer Kirche schlurft heran:
Da wurd es wirklich von außen her laut, der Schlüssel drehte sich im Schloß, und gleich darauf erschien der alte Jeserich Kubalke und kam zwischen den Chorstühlen langsam die Fliesen herauf.
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