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Fast alle Inseln sind bewohnt, die meisten sogar recht dicht, so daß hier wenigstens noch keine Abnahme der Bevölkerung zu bemerken ist. Trotz der hohen See kamen uns von Ollap sofort verschiedene Canoes mit großen dreieckigen Mattensegeln, jedes mit 3—5 Eingeborenen besetzt, entgegen und ihre Insassen umruderten mit großem Geschrei das Schiff. Sie waren außerordentlich scheu, ergriffen zwar die ihnen zugeworfenen Enden, kletterten aber nicht an Bord unseres Schiffes, weshalb die Verständigung mit ihnen sehr mangelhaft war. In den Booten waren übrigens hier nur Männer.
Nach kurzer Zeit braßten wir wieder voll und gingen jetzt, da wir den östlichsten Punkt unserer Reise erreicht hatten, vor dem Winde nach Westen. Das neubeginnende Schlingern des Schiffes erschien mir als eine große Annehmlichkeit nach dem wochenlang vorangegangenen Stampfen mit seinen abscheulichen ungleichen und heftigen Bewegungen. Am folgenden Tage drehten wir in gleicher Weise wie vorher vor den Inseln Satawal, Lamotrek und Elato bei. Auch hier kamen sofort Boote läng- seit und die etwas dreisteren Eingeborenen kletterten an Bord der „Hertha", wo sie uns mit unermüdlichem Eifer berochen, befühlten, besahen, bestaunten und anschwatzten. Sie zeigten große Freude über Tobakko, dessen Gebrauch sie kannten, nahmen auch Glasperlen und ähnliche Kleinigkeiten gerne an, ihr größter Wunsch waren aber Messer, das englische Wort llnilb war ihnen bereits bekannt. Als Gegengeschenke brachten sie Muscheln, Mnschelhörner, Kokosnüsse und Stückchen Schildpatt.
Am 26. Januar nachmittags kamen wir vor die größere Uleagruppe. Die Lagune hat hier eine treffliche geschützte Einfahrt, und bald lagen wir im völlig stillen Wasser vor Anker.
Die beiden größten Inseln der etwa 23 zählenden Gruppe sind Ulea und Raur. Von letzterer wehte uns die auf einer Palme verkehrt aufgezogene deutsche Flagge entgegen, und bald erschien der Besitzer der dazu gehörigen Hütte, ein alter englischer Matrose Edward Williams an Bord, um sich als Vertreter der Firma Godeffroy vorzustellen, die auf mehreren dieser Gruppen Agenten hat. Mr. Williams lebt feit langen Jahren in der Südsee, seit mehreren auf Raur. Unter seiner Führung lernte ich Land und Leute etwas näher kennen.
Der Typus der westlichen Karoliner zeigt für den Unbefangenen deutlich den gewaltigen Unterschied in der Körperbildung zwischen Mikronesiern und Polynesiern, der zwar nach der Ansicht einer Autorität wie Meineke nicht größer sein soll, wie der zwischen Deutschen und Skandinaviern, aber in Wirklichkeit bedeutender ist, als etwa der Unterschied zwischen Deutschen und Portugiesen. In Samoa z. B. wo viele Mikronesier von den Marschalinseln aus Plantagen arbeiten, würde auch der alleroberflächlichste Beobachter niemals in den Jrr- thum verfallen, diese mit Samoanern zu verwechseln. Offenbar sind die Berwandtschaftsverhältnisse der die Südsee bevölkernden Stämme noch lange nicht im einzelnen hinreichend aufgeklärt. So sind z. B. die Bewohner von Niueh oder von Raratonga, welche als reine Polynesier gelten, ganz anders gebaut wie Samoaner, Tonganer oder Maori und doch sollen die letzteren nach der gebräuchlichen Annahme von Raratonga aus vor gar nicht langer Zeit Neuseeland bevölkert haben. So bilden auch die östlichen Mikronesier einen wahren Gegensatz zu den westlichen Karolinern und Palauinsulanern, den man jetzt durch stärkere Mischung der letzteren mit Papuas erklärt.
Der Marschalinsulaner sieht aus wie ein Malahe, ist klein, gelbbraun, schmutzig, schmaläugig, glatthaarig, hat breiten Mund und Nase, vorstehenden Jochbogen, schwachen Bart; der westliche Karoliner ist im Durchschnitt groß, die meisten haben zwar breite Gesichter, aber ohne daß die Jochbogen stark Vorstehen, die Nasen sind häufig scharf geschnittene Adlernasen, und dem entsprechend sind dann die Gesichter länger und schmäler, der Bart stärker, wenn auch meist nur am Kinn entwickelt. Das Haar ist gewöhnlich lockig oder kraus, mitunter zu einer stattlichen Perücke aufgethürmt, manchmal indes auch schlicht. Stets sind aber die Augen frei von allen mongolischen oder malayischen Eigenthümlichkeiten, sondern groß und sehr ausdrucksvoll. Die Hautfarbe ist Hell zimmetbraun. Ich sah Personen, besonders junge Männer, die bei wenig hellerer Haut
farbe ganz gut für Südenropäer hätten gelten können, und zwar für schöne, da die Muskulatur meist gut entwickelt ist, und der Körper der Männer sogar nach unseren Begriffen oft tadellos erscheint. Die Haare lassen sich beide Geschlechter lang wachsen und frei herunterhängen.
Die Kleidung der Männer ist überall ein einfaches Lendenluch aus Matten von Bananenbast oder ans irgendwo erhandelten europäischen Lappen bestehend, die Frauen tragen ein breites Tuch aus denselben Stoffen. Im übrigen sind sie nackt. Als Schmuck wird alles mögliche: Muschelstücke, Schildpatt und Glasperlen in Form von Armbändern, Halsbändern und als Ohrringe in den durchbohrten und enorm bis auf 4 Zoll Länge ausgedehnten Ohrläppchen getragen, jedoch auf den östlichen Inseln in größerer Menge und geschmackloserer Auswahl; die Nasen sieht man nur sehr selten durchbohrt. Im Haar trägt jeder Karoliner einen hölzernen, gewöhnlich drei- oft auch mehrzinkigen Kamm, gewöhnlich mit einer Feder geschmückt. Die überall gebräuchliche Tätowirung ist gerade nicht sehr kunstvoll und beschränkt sich meist auf Zickzacklinien, Sterne und Fische, die auf den Armen und Beinen angebracht sind.
Auch die Sitte, sich bei festlichen Gelegenheiten Gesicht und Hände mit Kurkuna, Ocker und Kalk zu malen, geht über alle Inseln, die wir hier besuchten, ebenso wie einzelne Personen !
ihrem Haar durch Behandlung mit Kalk eine rothbraune Farbe j
ertheilten, welcher Gebrauch aus anderen Gruppen allgemein !
herrscht. Auf den Samoas z. B. sieht man Sonnabends alles !
mit weißem, mit Kalk eingeschmiertem Haupthaar erscheinen zur ^
Vorbereitung für den Sonntag, wo die hierdurch hervorgebrachte j!
rothbraune Farbe in der Kirche sich besonders schön ansnehmen j
soll. Als kriegerischer Schmuck dienen bei den Karolinern, wie i
auch vielfach anderwärts, frische Bast- oder Palmenblattstreifen, welche um den Hals und die Arme gebunden werden und auch !
die Schnäbel der Canoes zieren. Die Canoes sind die be- ^
dentendste technische und künstlerische Leistung der Karoliner, s
welche als Seefahrer in der Jetztzeit den ersten Rang unter j
allen Polynesiern einnehmen.
Als die vorzüglichsten Seeleute unter ihnen gelten die Insulaner von Jap, welche ihre Canoes indes auf den Palau- inseln bauen wegen des hier vorhandenen besseren Holzes. Die Boote, je nach den Zwecken von verschiedener Größe, bis 40 oder 50 Ruderer fassend, ans den weiter östlich gelegenen Inseln, z. B. Ulea, jedoch viel kleiner, sind elegant gebaut, roth bemalt und mit Muscheln verziert. Alle Nähte werden durch Stricke von Kokosbast verbunden und mit Thon sehr- geschickt verschmiert. Oben sind sie meist offen, nur die Kriegscanoes auf Palau sind theilweise gedeckt. Alle haben einen Ausleger und das Gerüst, welches diesen mit dem Boot verbindet, dient als Vorrathsraum und als Aufenthaltsort der Anführer. Der Mast führt ein großes dreieckiges Mattensegel.
Da die Boote sehr schmal und scharf gebaut sind, so sind sie vorzügliche Segler, wenn auch die oft verbreitete Behauptung, daß sie bis 20 Seemeilen in der Stunde liefen, sehr übertrieben ist. Ein gutes europäisches Segelboot leistet wohl ; dasselbe. Vorzüglich wissen aber die Insulaner mit ihren Booten umzngehen. Ohne Kompaß unternehmen sie jährlich große Handelsreisen nach der Marianeninsel Guam, ja sogar ^ nach Manila. Die Aapleute haben durch große Kriegszüge sich die benachbarten Inselgruppen tributpflichtig gemacht, vor einigen Jahren sogar die Uleagruppe, welche etwa 360 Seemeilen von Uap entfernt liegt. Daß die Boote Umschlagen oder nntergehen, kommt wegen ihrer Konstruktion kaum vor, öfters aber, daß die Insassen auf längeren Reisen nach Aufzehrung der Vorräthe Hungers sterben.
Auf Ulea sind die Hütten ziemlich kunstlos aus Palmenblättern geflochten und enthalten nur einen Raum für bie ganze Familie. Das Ameublement besteht aus einigen Matten, die auf den festgetretenen Boden ausgebreitet sind. In der Umgebung der Hütten, die hier stets ein Rechteck als Grundfläche haben, ist meist ein mit kleinen Steinen belegter freier Platz mit dem Herd, d. h. einer stachen Grube, in der über dem Feuer die Steine erhitzt werden, zwischen welchen die Brotfrucht gebacken wird. Daneben liegt ein Haufen Kokos-