Joachim Schobeß (Potsdam)
Erinnerungen an Kurt Schreinert aus Anlafj der zwanzigsten Wiederkehr seines Todestages
Am 12. Februar 1967 starb in Göttingen Professor Dr. Kurt Schreinert. Elf Wochen vor seinem Tode, am 19. Dezember 1966, schrieb er mir die letzten Zeilen: „Zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben alles nur erdenklich Gute, Freude und wenig Verdrießlichkeit. Mir geht es etwas durchwachsen . . . Weihnachten werde ich nicht ausgiebig feiern können, nicht aus Mangel an Mumm, sondern wegen der Arbeitskohorten, die auf mich (schon seit vielen Monaten) einstürmen. In diesen Tagen denke ich oft an die schönen Potsdamer Stunden vor just einem Jahr zurück, und die Rückerinnerung erfreut mich immer wieder, so anstrengend sie auch waren ..." [gemeint ist das „Symposium anl. der Dreißigjahrfeier des Fontane- Archivs vom 17. und 18. Dezember 1965 in Potsdam". J. Sch.]
Kurt Schreinert wurde am 16. Juli 1901- in Brandenburg an der Havel geboren. Er studierte an der Berliner Universität Deutsche Philologie, Philosophie und Geschichte. Kurt Schreinert schrieb seine Dissertation über Jean Pauls „Siebenkäs". Dem nunmehr Sechsundzwanzigjährigen übertrug die Preußische Akademie der Wissenschaften mehrere Bände der historisch-kritischen Jean-Paul- Ausgabe. Kurt Schreinerts Habilitationsschrift über die Schriftstellerin Benedikte Naubert (1756—1819) vermittelte wesentliche Einsichten in die Entstehungsgeschichte des historischen Romans in Deutschland. Später arbeitete Kurt Schreinert an Sprangers Pestalozziausgabe und der Braunschweiger Raabeausgabe mit.
Berühmt wurde Kurt Schreinert durch die Herausgabe der Briefe Theodor Fontanes an Georg Friedlaender, die ihm Elisabeth Friedlaender (1877—1952) anvertraut hatte. Leider erlebte sie die Veröffentlichung nicht mehr. Bereits Hans-Heinrich Reuter wies darauf hin, daß die Edition der Briefe Fontanes an Georg Friedlaender im Jahre 1954 im Heidelberger Verlag Quelle & Meyer eine neue progressive Etappe in der Fontaneforschung einleitete. Kein Geringerer als Thomas Mann nannte die Publikation „ein der Fontaneforschung höchst dienliches Werk, eine mustergültige Edition mit großem Erläuterungsapparat, genauem Personenregister und einer schönen Einleitung".
Im Jahre 1958 benutzte Kurt Schreinert, nunmehr wissenschaftlicher Rat und Professor an der Universität Göttingen, erstmalig das Fontane-Archiv in Potsdam. Er kam von Mühlberg an der Elbe, wo sein Vater lebte (hier war Theodor Fontanes Schwester Elise im Jahre 1838 geboren, der Vater Louis Henry Fontane besaß von 1837 bis 1838 die Mühlberger Apotheke, bevor er nach Letschin im Oderbruch umzog). Ich erwartete Kurt Schreinert auf dem romantischen Bahnhof „Wildpark" am Park von Sanssouci (wir hatten uns noch nie gesehen). Er wählte stets bewußt die Nebenstrecke Jüterbog, Treuenbrietzen, Beelitz, um die an der Bahnstrecke ausgedehnten märkischen Kiefernwälder und die ländliche Einsamkeit stimulierend auf sich einwirken zu lassen.
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