nation nehmen zu bei jedem Versuch, ihm auf die Schliche zu kommen. Während die Interpreten ergrauen, bleiben die Werke jung.
Der frischen Kräfte freilich bedarf es überall, die eine — vielleicht nur vorläufige — Niederlage nicht scheuen. Helmut Ahrens — er ist nicht von der Zunft —■ hat sich nicht einschüchtern lassen; das berührt sympathisch. Nun ist er, wie mir scheint, in Ehren gescheitert. Sein Buch bietet eine im guten Sinne volkstümliche Erzählung, die aber, um wirklich nützlich zu sein, einer Überarbeitung bedürfte. Es fehlt an Zuverlässigkeit.
Ahrens berichtet ohne falsche Attitüde, warmherzig und intelligent, vom schwierigen Leben des Schriftstellers und über ein ganzes vergangenes Jahrhundert. Sein Ziel ist Vermittlung in eingängiger, aber doch künstlerischer Weise. Geben wir ihm selbst das Wort:
Dieses Buch schildert das Leben Theodor Fontanes. Der Titel „Das Leben des Romanautors, Dichters und Journalisten Theodor Fontane" umschreibt, dafj es dem Autor um eine Biographie zu tun war, und „nur" mit der Beschreibung des Schicksals des bedeutendsten Vertreters sozialer Romankunst beschäftigt sich der Band. Wer darüber hinaus eine Werkinterpretation sucht, eine breitgefächerte Darstellung der Zeit Theodor Fontanes wünscht, sei auf das über 1000 Seiten starke zweibändige Werk Professor Hans-Heinrich Reuters verwiesen. Renter (!) legte schon im Jahre 1968 eine Arbeit vor, die zwar eine Lebensbeschreibung des Dichters Theodor Fontane zum Ziel hatte, es sich hingegen darüber hinaus angelegen sein lieh, der Geschichtsschreibung, der der Analyse und der Interpretation des Werks breiten Raum zu widmen, ohne sich an den erzählerischen Ablauf, den eine Biographie, will sie möglichst getreu die Stationen eines reichen Lebens zeichnen (!), gebunden zu fühlen. Dennoch oder gerade deshalb schien es an der Zeit zu sein, das immer noch, insbesondere in seinen Anfängen, erstaunlich unbekannte Leben Fontanes in einem einzigen Band möglichst umfangreich zu präsentieren. (S. 404)
Der Autor bezeichnet also in seinem Buch selbst sehr deutlich die Grenzen, die er sich gezogen hat (es ist die Verlagswerbung, die sich bemüht zeigt, sie auf dem Schutzumschlag nach Möglichkeit wieder zu verwischen),-und er weist in seiner „Nachbemerkung" auch nachdrücklich auf Darstellungen von Fontane- Forschern hin, denen er sich besonders verpflichtet fühlt. Es macht dem Rezensenten seine Aufgabe nicht leichter, dafj er unter den dort Genannten ist, darf ihn aber auch nicht abschrecken. Glücklicherweise gibt Fontane auch als Kritiker ein ermutigendes Vorbild ab.Die „Freunde des herzlichen Lobenkönnens" hat er in „Kritische Jahre — Kritiker-Jahre" hervorgehoben, aber auch die Pflicht des Urteilenden, unbefangen seine Meinung zu sagen. „Sollen immer erst äzrtliche Zeugnisse eingefordert werden, so ist es mit aller Kritik vorbei (.. .] Schlecht ist schlecht, und es mu5 gesagt werden."
Leider fällt es schwer, Ahrens zu loben, ohne dafj bei näherer Betrachtung das Lob etwas fragwürdig anmutet. So ist es gewifj ein Vorzug, dafj Fontane von ihm für keine bestimmte Weltanschauung vereinnahmt wird, auch nicht für eine bestimmte Vorstellung von Künstlertum. Wie bereits der Titel zeigt, wird hier der Dichter nicht gegen den Journalisten ausgespielt. Das ist für das Verständnis Fontanes wichtig, und darin ist Ahrens' Buch manchen anspruchsvolleren Darstellungen überlegen. (Man denke etwa an die bedeutende und doch ganz
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