Heft 
(1878) 23
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361
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Ein deutsches Fnnnlienlllntt init Mustentinneu.

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XIV. IlttjrglMtz. Ansgrgcbrii am 9. März 1878. Der Jahrgang läuft vam Gktaber 1877 bis dahin 1878. 1878. ^5 23.

Wor dem Sturm.

Historischer Roman von Theodor Fontane.

Nachdruck verboten. Ges. v. ll./VI. 70.

(Fortsetzung.)

XXIV. Es geschieht etwas.

Sankt Jonathan, der 29. Dezember, war von alter Zeit her der Tag der Umzüge in Hohen-Vietz, allerhand Mummen­schanz wurde getrieben, und bei Beginn des Nachmittags zogen außer Knecht Ruprecht und dem Christkinde auch Joseph und Maria und die heiligen drei Könige von Haus zu Haus. Zu diesem alten Bestände traten aber auch neue Figuren hinzu, so heute derSommer" und derWinter", von denen jener zu seinem leichten Strohhut Harke und Sense, dieser zu Pelz und Holzpantinen einen Dreschflegel trug. Sie führten ein

Zwiegespräch. Ich bin der Winter stolz,

Ich baue Brücken ohne Holz --

und rühmten sich ihrer gegenseitigen Vorzüge, bis eine Ver­söhnung und Segenswünsche für das jedesmalige Haus, in dem sie sich befanden, ihren lang ausgesponnenen Streit be­endeten.

Ein besonderes Glück machten heute auch die Schulkinder, deren mehrere alsSchneewittchen und ihre Zwerge" ihren Umzug hielten; Schneewittchen mit langem blonden Haar, die Zwerge mit Flachsbärten und braunen Kapuzen. Als sie zu­letzt auf den Gutshof kamen, fanden sie die jungen Herr­schaften sammt Tante Schorlemmer in derselben großen Halle, in der auch der Weihnachtsaufbau stattgefunden hatte, ver­sammelt, und nach kurzer Ansprache, worin Schneewittchen für ihre Begleiter um die Erlaubniß zum Räthselaufgeben gebeten hatte, traten die Zwerge vor und thaten ihre Fragen:

Was kann kein Mensch erzählen?"

Daß er gestorben ist."

Wer kann alle Sprachen reden?

Der Widerhall."

Wer ist stärker, der Reiche oder der Arme?"

Der Arme; denn er hat Noth, und Noth bricht Eisen."

So gingen die Fragen, aber die hier gegebenen Antworten blieben aus, und Maline Kubalke, die mit in der Halle war,

X7V. Ialirgang 23.

mußte manchen Teller voller Aepfel und Nüsse herbeischaffen, um die Quersäcke der Zwerge zu füllen.

So verging der Nachmittag. Als es dunkelte, wurde es still in Hohen-Vietz, weil Alt und Jung zu Tanz und fest­lichem Beisammensein im Scharwenkaschen Krug sich putzte, und erst um die sechste Stunde, als von den ausgebauten Loosen her, die zum Theil weit ins Bruch hineinlagen, Wagen und Schlitten unter Peitschenknall und Schellengeläut heran gefahren kamen, war es mit dieser Stille wieder vorbei.

Auch auf dem Herrenhose rüstete sich alles zum Aufbruch, Herrschaft und Dienerschaft, und wer eine halbe Stunde nach Beginn des Tanzes von der Dorfstraße her auf die lange Front des Vitzewitzschen Wohnhauses geblickt hätte, hätte nur an zwei Fenstern Licht gesehen. Diese zwei Fenster lagen neben der Amts- und Gerichtsstube und zogen die Aufmerksamkeit nicht blos dadurch auf sich, daß sie die einzig erleuchteten waren, sondern mehr noch durch das dunkele Weingeäst, das sich von dem starken Spalier aus in zwei, drei phantastischen Linien guer über die Lichtöffnung ausspannte. Hinter diesen Fenstern, an einem mit einem rothen Stück Fries überdeckten Sophatisch, saßen Renate und Kathinka, zu denen sich seit einer Viertelstunde, um den Abend mit ihnen zu verplaudern, auch Marie gesellt hatte. Allen dreien, auch Kathinka nicht aus­geschlossen, war es eine herzliche Freude, sich einmal allein und ganz unter sich zu wissen, und um diese Freude noch zu steigern, hatten sie sich aus dem großen Gesellschaftszimmer des Erd­geschosses in diese viel kleinere Stube des ersten Stockes zurück­gezogen. Tante Schorlemmer fehlte. Sie war gegen ihre Ge­wohnheit ausgeflogen und saß plaudernd in der Pfarre, wäh­rend der alte Bitzewitz, abwechselnd vom Schulzen Kniehase und dann wieder von Lewin und Tubal unterstützt, im Kruge seinen politischen Diskurs hatte. Die Bauern zeigten sich in allem willig; es war so recht ein Abend, um das Eisen zu schmieden.

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