ein zweiter Fehler unterläuft: „nur im Besitz voller Muse", so ist zu lesen, wolle Fontane sich an die Arbeit machen.
Genug der mit Absicht nicht in einer bestimmten Reihenfolge geordneten Beispiele (die Liste ließe sich bei systematischer Suche zweifellos vervielfachen) ; Käufer und Leser dürften mehr Bemühungen um Korrektheit verlangen — Bemühung auch des Lektorats.
Kleine Ungereimtheiten und Mißverständnisse in der Darstellung, die hier im einzelnen ebenfalls nicht vollständig aufgelistet werden sollen, zeigen dem Kenner schon bald, daß diese Biographie nicht aus gründlichem Quellenstudium hervorgegangen ist. Die Konturen dessen, was die Forschung heute über Fontanes Leben zuverlässig mitzuteilen weiß, verlieren in Ahrens' Auffassung an Schärfe, die mehr romanhafte Erzählform läßt sie noch unbestimmter erscheinen. „Tagelang schrieb er an einem .Wolsey'-Manuskript" weiß Ahrens über den Dichter zu berichten (S. 192); er hätte ebenso gut schreiben können „nächtelang". Die einzige überlieferte Selbstäußerung Fontanes zu diesem Fragment lautet: „Gearbeitet hab' ich einiges, doch steht von Schill und Wolsey noch nichts auf dem Papier" (an Storm, 12. September 1854). An anderer Stelle zitiert Ahrens aus einem Brief Fontanes, er habe „sich .feierlich versprochen', bei Kriegshandlung aktiv dabei zu sein" (S. 121) nämlich auf der Seite der Schleswig-Holsteiner gegen die Dänen 1850. In Wahrheit weist der zitierte Brief Fontanes (an Lepel, 28. Juli 1850) aber gerade das Gegenteil aus: „ . . . auch ich habe feierlich versprochen mich bei Handlungen nicht zu betheiligen". Vollends problematisch wird es, wenn Ahrens Fontane während der Revolution in Berlin 1848 an den „Kämpfen ... aktiv teilnehmen läßt: „Er baute Barrikaden, gesellte sich zu den kämpfenden Bürgern, trug sogar, wenngleich ein recht untaugliches, Gewehr. An jenem 18. und 19. März stand der Dichter mitten im Pulverdampf der Berliner Revolution". (S. 103) So belustigend undeutlich der letzte Satz auch ist, insgesamt behauptet Ahrens hier mehr, als wir wissen — fraglos stand Fontane am 18. März mit Leidenschaft und Überzeugung auf seiten des Volkes, aber die Rolle, die er bei den Straßenkämpfen wirklich gespielt hat, läßt sich nicht mehr aufhellen. Der Klappentext vereinfacht Ahrens' Darstellung weiter: dort wird lapidar festgestellt, Fontane habe an den Barrikadenkämpfen teilgenommen.
Zusätzlich fragwürdig erscheint die offensichtlich aus verschiedenen Quellen montierte Bibliographie, die auch Druckfehler der Vorlagen weiterschleppt (vgl. S. 420 „Ritschler"), also offensichtlich nicht durchgehend auf Autopsie beruht; gelegentlich ist derselbe Titel — unterschiedlich abgekürzt — doppelt verzeichnet (Helga Ritscher, „Fontanes politische Gedankenwelt" sogar dreifach, vgl.'auch S. 417 und S. 429) Das zugrunde gelegte Abkürzungsverzeichnis ist nicht mit zum Abdruck gelangt. In einer kritischen Darstellung wäre dergleichen undiskutabel, hier ist es letztlich so wichtig nicht, weil es sich eben nicht um ein wissenschaftliches Buch handelt. Ärgerlich bleibt es. Diesen scheinwissenschaftlichen Anhang dürfte man unbesorgt drastisch kürzen, das käme der eigentlichen Intention des Autors eher zugute.
Für den Leser dieses Buches ist nicht wichtig, woher der Autor sein Wissen hat (Auswahl und Anordnung der Zitate kamen mir merkwürdig bekannt vor) — nur, daß er es hat. Da bleibt nun, auch was das historische Zeitbild anbetrifft, manches zu wünschen übrig. So dürfte bereits ein Blick auf die Land-
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