Heft 
(1990) 49
Seite
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karte deutlich machen, daß die österreichischen und preußischen Soldaten im Winter 1863/64 wohl kaum auf der Eisenbahnhinauf nach Flensburg ins Schleswig-Holsteinische fuhren", denn wenn das möglich gewesen wäre, hätten sie die Herzogtümer größtenteils nicht mehr zu erobern brauchen. Und was würden ferner Moltke und Benedek dazu sagen, wenn sie läsen, daß sich die getrennt marschierenden preußischen Armeen in (!) Königgrätz vor dem entscheidenden Kampf! zu einem gewaltigen Heere vereinigten?Die Welt stürzt ein!" soll Kardinal Antonelli nach der Schlacht am 3. Juli 1866 aus­gerufen haben. Fontane zitiert diese Äußerung in seiner Darstellung der Schlacht bei Königgrätz (Der deutsche Krieg von 1866", Bd. 1, S. 640). Der Staatssekretär des Papstes hatte so unrecht nicht aber es ist, wie man sieht, bereits wenig später als hundert Jahre nach eindm solchen Welteinsturz schwierig, nachzuerzählen, was eigentlich vorgegangen ist.

Aber hätte Ahrens sich nicht bei dem Autor, über den er schrieb, ausführlich informieren können? Und gab es niemanden im Verlag, wo sein Manuskript doch vorlag, der ihn warnen konnte?

Dennoch scheint mir das Interessante an dem Buch von Ahrens, daß es in der vorliegenden Form geschrieben und veröffentlicht wurde. Man erkennt daran das Ausmaß der in den letzten Jahrzehnten eingetretenen Veränderung. Fontane ist zu einer Leitfigur für die Kenntnis des 19. Jahrhundert geworden. Sogar sein Leben von dem Thomas Mann und Conrad Wandrey einst kaum ein Aufhebens machten, weil es ihnen zu unbedeutend schien, nur kunstpsycho­logisch interessant ist jetzt für sich allein erzählenswert. Es gibt den roten Faden ab für eine geraffte Epochenbeschreibung; und die Epoche wiederum, didaktisch aufbereitet, hilft sein Leben illustrieren, seine Kunst erläutern. Wir sind Zeugen eines Rezeptionsprozesses geworden, den man vor 30, geschweige denn vor 60 Jahren, so nicht voraussehen konnte.

Das geht nicht ohne Vereinfachung ab. Ahrens möge mir eine etwas despek­tierlich animutende Assoziation verzeihen; einmal dachte ich während der Lektüre seiner Biographie an das hübsche KinderbuchDonnerblitzbub Wolf­gang Amadeus". Wie liebenswürdig war einst dieser Zusammenklang von Kunst, Künstlertum und Geschichtserzählung zwischen zwei bunten Papp­deckeln, wie viel glaubte man beim Konsümieren lange vor Milos Forman! von Mozart zu verstehen. Fontane war kein Wunderkind, und Ahrens' Bio­graphie gehört ins Wohn-, nicht ins Kinderzimmar. Aber gelegentlich wenn ich sie ansehe, denke ich: Donner blitzbub Henri Theodore du bist wirklich ein Klassiker geworden.

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