„Kunstverwaltung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich", herausgegeben von Ekkehard Mai und Stephan Waetzoldt. — Gebrüder Mann Verlag Berlin (West) 1981. 490 Seiten mit zahlreichen Abbildungen im Text. [Rez. Brigitte Schmitz, Berlin]
Das vorliegende Buch ist der erste Band einer Reihe, die unter dem Titel „Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich“ erschienen ist. Ihm liegen umfangreiche Forschungsergebnisse zur Kunst des 19. Jahrhunderts zugrunde, die in einem Projekt-Kreis — von der Fritz-Thyssen-Stiftung initiiert — unter der Leitung des Kunsthistorikers Stephan Waetzoldt entstanden sind.
Die in dieser Ausgabe enthaltenen 18 Einzelbeiträge namhafter BRD-Kunst- historiker sind alle, so die Einführung, das Ergebnis einer Tagung von 1979 in Bad Homburg. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit jenes Arbeitskreises steht die deutsche „ .. . Kunstpolitik als Teil der staatlichen Kulturpolitik von 1871 bis 1918 einschließlich der vorbereitenden sechziger Jahre ..." (S. 3), wie es in der Einleitung von Ekkehard Mai und Stephan Waetzoldt heißt. Dieser einführende Aufsatz klärt den Leser über Anliegen und Arbeitsweise der Forschungsgruppe auf: „Demnach wäre zu fragen, wie sich Kunst institutionalisierte, wie die Entscheidungsmechanismen in Politik, Verwaltung und sich selbst organisierender Öffentlichkeit aussahen, welche Bindungen Staat und Politik als Ausdruck organisierter Macht und gesamtgesellschaftlichem Handelns mit der Kunst eingingen ..." (S. 9). Falsch erscheint der Rezensentin allerdings dabei die Meinung der beiden Autoren, daß Kunst vor der Reichsgründung „ ... wesentlich durch Freiheit..." (S. 9) bestimmt worden wäre. In keiner Gesellschaftsordnung war aber Kunst „frei", was auch immer darunter von bürgerlichen Kunsthistorikern verstanden wird. Kunst ist immer gesellschaftlich determiniert, nicht erst im Deutschen Kaiserreich. Sie kann nie losgelöst von gesellschaftlichen Verhältnissen betrachtet werden.
Für den Leser eröffnet sich mit dem Buch ein erster Überblick über die Kunst im Deutschen Kaiserreich, aus bürgerlicher Sicht. Unberücksichtigt bleiben wichtige geschichtliche Aspekte, die besonders die Entwicklung des Proletariats zu einer organisierten Klasse aufzeigen. Während die Rolle der Großbourgeoisie nach der Reichsgründung durch ihre Verbindung mit dem reaktionären Junkertum gegen das Proletariat immer zwielichtiger wurde, entwickelte sich die Sozialdemokratie im Kampf gegen das Sozialistengesetz (in den Jahren von 1878—1890) zur marxistischen Massenpartei. Die Klassengegensätze verschärften sich. Das Proletariat erstarkte im Kampf für Demokratie und Sozialismus. Das hatte u. a. auch zur Folge, daß bürgerlich-demokratische Künstler in zunehmendem Maße sozialkritisch die Zustände in Deutschland anprangerten, für den Fortschritt Partei ergriffen. Dazu fehlen der Rezensentin ebenfalls Hinweise.
Da mit der vorliegenden Veröffentlichung auf kunstgeschichtlichem Gebiet Neuland beschritten wurde, können nicht alle Fragen geklärt sein. Der Rezensentin scheint das Buch eher eine erste Verständigung darüber zu sein, was
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