einsichtige Einzelinterpretationen zu Ellernklipp und Effi Briest, Irrungen, Wirrungen, Unwiederbringlich, Frau Jenny Treibei, Die Poggenpuhls und Der Stechlin. Dabei erweist sich Bance' Arbeit als lohnend für einen breit gefächerten Leserkreis, sowohl als Einführung für den angelsächsischen Neuling (alle Zitate z. B. sind — meist sehr treffend — ins Englische übertragen) als auch für den mit dem Werk Fontanes vertrauteren Leser.
Kapitel 1 und 2 erläutern die Grundlage für Bance' Überlegungen, d. h. die Annahme von "tension and Opposition between objective faithfulness to 'facts' and a higher or poetic truth" (S. ix) oder, wie an anderer Stelle ausgedrückt "the theory of a dialectic of conflict between Prosa and Poesie" (S. 2) in den Romanen Fontanes. Dabei folgert der Verfasser letztlich, daß Fontanes poetische Entwicklung sich ungebrochen vollzieht, denn "poetry is refined not rejected" (S. 9). Außer dieser These enthalten die beiden Anfangskapitel zudem einen wertvollen Überblick über die einschlägige Fontane-Literatur, vor allem jüngeren Datums, und ihre Stellung zum gewählten Thema. Insbesondere stützt sich Bance dabei auf die Ergebnisse Müller-Seidels, Freis und Austs sowie, im sozialhistorischen Bereich, auf die Aussagen Sagarras und Attwoods.
Der Verfasser ist besonders erfolgreich bei seiner kontrastierenden Skizzierung der gesellschaftlichen Lage und kulturellen Strömungen im 19. Jahrhundert in England und Deutschland. Er trägt damit zu einer Vertiefung des Verständnisses bei für die „angelsächsischen Züge" im Werke Fontanes, die einen so wesentlichen Anteil an seiner künstlerischen Besonderheit im deutschen Sprachraum tragen. So erkennt Bance z. B. die Verbindung zu George Henry Lewes' Realismustheorie und folgert sehr richtig, daß Fontane einerseits "reaches back to the best classical-humanist tradition of Germany," während er ^zugleich "an Anglo-Saxon, pragmatic version of realism" ergreift, "not opposed to German idealism, but simply immune to its Iure of the transcen- dental" (S. 6).
Weiterhin argumentiert Bance für eine Kontinuität des „Poetischen" im Prosawerk Fontanes, eines Begriffs, den er zum Teil mit dem des „Romantischen" gleichzusetzen scheint (vergl. z. B. S. xv, 1, 12, 20) und als Antonym gebraucht zum Begriff des Realistischen und der „Prosa". Mag die Anwendung dieser Termini auch im Hinblick auf den Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts (und Fontanes) historisch plausibel erscheinen, so hätte sich eine weniger pragmatisch orientierte und kritischere Begriffsbildung vielleicht für den Literaturhistoriker als erhellender erwiesen. Allerdings ist sich der Verfasser selbst der Möglichkeit solch eines Einwandes bewußt (S. 2). Mir persönlich erschiene eine Terminologie angebrachter, die weniger leicht dazu führte, „Poesie" und das „Poetische" mit äußerlichen Stilmerkmalen oder romantisierenden Elementen gleichzusetzen und somit auch „Prosa" mit „prosaisch" oder „realistisch" mit unvermittelter Faktenwiedergabe zu verwechseln. Denn einmal argumentiert Bance selbst im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur deutschen Romantheorie des 19. Jahrhunderts (S. 6-9) überzeugend gegen solch eine Gleichstellung, zum anderen scheint dies mir im Widerspruch zu stehen zu den Aussagen Fontanes, der kontinuierlich (z. B. durch den bekannten Ausdruck der „Verklärung") darauf hinwies, daß das „Poetische" per definitionem Teil realistischer Kunst sein muß. Fontane erfaßt es somit schon als Ausdruck der Fiktionalität realistischer Prosa und entkräftet implizit das Welleksche Argu-
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