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Ein deutsches Famliendlatt mit Iltnsteationen.
Erscheint wöchentlich und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 2 Mark zu beziehen.
Kann im Wege des Buchhandels auch in Hesteu bezogen werden.
XIV. Skt)kM1lg. Ausgkgrlnn am 6. April 1878. Der Jahrgang läuft nam Gktaber 1877 bis dahin 1878. 1878. 27.
Aas Much Sirach.
Reichsstadtnovelle von Gottfried Äühm.
Nachdruck verboten. Ges. v. 11./VI. 70.
Die Glocken läuteten ans der Kirche. Die letzten Orgel- aceorde, vermischt mit schmetternden Posaunenstößen, verhallten und die weiten Portale öffneten sich geräuschvoll. Zuerst kamen die Väter der Stadt, der Rath in feierlicher Prozession; ihnen folgten die Zünfte im Festgewand; dazwischen drängte sich eine durch Pest und Kriegsnoth arg dezimirte Bevölkerung.
Das Fest, das man heute gefeiert, war ein Dankfest gewesen für den wiedererlangten Frieden nach dreißigjährigem Kriege, der unsägliches Elend über das deutsche Land gebracht, die Dörfer verwüstet, die Städte verarmt, die Sitten verwildert und tausend Keime hoher Kultur und ausblühenden Kunstfleißes erstickt und ausgerottet hatte.
Die Schwertursel war auch heute nicht erschienen. Ihr Kirchensitz befand sich dicht unter der Kanzel im Angesicht der ganzen Gemeinde und ihr Fehlen konnte nicht unbeachtet bleiben. Die Nachbarinnen hatten es wohl bemerkt, die Köpfe zusammengesteckt und gefunden, die Sache fange nachgerade an sehr verdächtig zu werden. Seit Wochen blieb ihr Platz leer, sie vermied das Antlitz der Menschen und verweigerte theilnehmen- den Freundinnen auf das schroffste Rede und Antwort.
Hatte sie allein denn heute keine Ursache gehabt, Gott zu danken? Die Leute sagten nein, denn mit dem wiederaufdämmernden Frieden war der häusliche Krieg bei ihr ausgebrochen.
Man wußte es nicht anders, als daß das Haus an der Herrengasse mit dem hohen spitzen Giebeldach, auf dem eine Windfahne mit dem Reichsadler so melodisch knarrte, ihr Eigenthum sei, und sie hatte nach dem Tode ihres Vaters den Handel fortgeführt, dessen Wesen drei verschlungene Riesenschwerter mit einer güldenen Krone darüber als Hausschild erkenntlich genug audeuteteu. Der Vater war Waffenschmied gewesen, und zu einer Zeit, da alle Gewerbe darnieder lagen, hatte das seine florirt. Es ging von ihm das Gerücht, daß er trotz der schlechten Zeiten Geld „am Zins" liegen habe, und Thatsache war, daß er von den durchziehenden Landsknechten erbeutete Schatzgelder und andere Kostbarkeiten ein-
XIV. Jahrgang. 27. ack.
gehandelt hatte, von denen um so größere Vorstellungen verbreitet waren, als keiner sie mit eigenen Augen gesehen hatte.
Indessen war der Ursprung von all dem viel beneideten Besitz nicht ganz so klar, als die Leute dachten. Jenes Haus mit seiner günstigen Geschäftslage an der Herrenstraße, aus dem der ganze Wohlstand emporgeblüht war wie eine Blume aus ihrem Topfe, gehörte eigentlich dem Vetter Ursels, ihres Vaters Brudersohne, Sixt Dornbusch mit Namen.
Sixt hatte sich frühe als einen unruhigen Kopf und Thunichtgut erwiesen. Die kleinen Verhältnisse seines reichs- städtischen „Vaterlandes" waren ihm von jeher als zu enge für die Bethätigung der schlummernden Kräfte seines Naturells erschienen und eines Tages hatte er sich in Folge eines Streites, in den er verwickelt worden war und der mit blutigen Raufhändeln geendet hatte, auf die Wanderschaft gemacht, ohne bei der fluchtartigen Natur seines Abzugs über sein Hab und Gut irgend welche Verfügung zu treffen.
Jahre vergingen; man wußte nicht, was aus ihm geworden war. Sein Ohm hatte von seinem Hause und seiner Waffenschmiede wie von einem herrenlosen Gute Besitz ergriffen und sich vom obscuren Altgesellen nach und nach zu einem der ersten Meister und Leiter der Zunft emporgeschwungen. Die öffentliche Meinung hatte bei der allgemeinen Unordnung, in welche während der Kriegszeiten fast alle bürgerlichen Verhältnisse geriethen, diesen Regentenwechsel mit Ueberspringung eines Zwischengliedes stillschweigend ratifizirt, und wie sehr die Sache nach und nach iu das Bewußtsein aller übergegangen, bekundete unter anderem der Umstand, daß man Ursula Dornbusch von ihrem Mädchenjahren an in Stadt und Land nunmehr die „Schwcrtnrsel" benannte. Sie hatte sich anfangs lebhaft gegen diese Bezeichnung gesträubt, obwohl sie nur einer harmlosen Beziehung zu dem Wahrzeichen ihres Hauses entsprungen war, aber die Leute wollten später um so weniger mehr davon lassen, als dem Ausdruck bald auch eine berechtigte Nebenbedeutung beigelegt werden konnte. Ursel war nämlich, seit sie die Schule besuchte, sehr scharf und sicher in ihrem